A | A kann wegen Untreue nach § 266 I1 in der Treubruchsvariante zu bestrafen sein. |
I. | A unterschlug Gelder des großen Unternehmens und verletzte damit Vermögensinteressen seines Arbeitgebers. |
II. |
Zu prüfen ist aber, inwieweit er auch eine Vermögensbetreuungspflicht hatte. Das hängt entscheidend von der Tätigkeit ab. Ein selbständiger Umgang mit dem Vermögen spricht für ein solches Verhältnis2, ein streng kontrollierter unselbständiger Umgang spräche gegen eine solche Annahme3. Von A ist nur bekannt, daß er Kassierer war. Hiernach ist nicht zu beurteilen, ob er in einem besonderen Vermögensbetreuungsverhälntis stand.
Eine Untreue ist darum zu verneinen. |
B |
Er ist aber wegen Unterschlagung nach § 246 I strafbar.
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C |
A kann sich weiter einer Urkundenfälschung durch Verfälschen einer echten Urkunde im Sinne des § 267 I 2. Var. schuldig gemacht haben, indem er den Text seines Arbeitszeugnis abdeckte.
Dann müßte es sich bei dem Ergebnis um eine Urkunde handeln. Diese müßte folgende Merkmale aufweisen: Verkörperung einer menschlichen Erklärung, Bestimmung und Geeignetheit, im Rechtsverkehr einen Beweis zu erbringen und Erkennbarkeit des Ausstellers4. Kein Mensch würde aber Vertrauen in zwei aufeinander liegende Blätter setzten, es fehlt mithin an jeder Beweiseignung und Dauerhaftigkeit. A hat sich folglich keiner Urkundenfälschung im Sinne des. § 267 I 2. Var. strafbar gemacht |
D |
A könnte jedoch durch Herauskopieren des Briefkopfes eine Urkundenfälschung im Sinne des § 267 I 2. Var. begangen haben.
Hier gilt das soeben gesagte entsprechend. Einem Briefkopf allein kommt noch kein Beweiswert zu, außerdem enthält er keine Erklärung. |
E |
Weiter kann sich A wegen Urkundenfälschung durch Herstellung einer unechten Urkunde nach § 267 I 1. Var. strafbar gemacht haben, indem ein neues Arbeitszeugnis schrieb.
Das neue Arbeitszeugnis stellt lediglich eine schriftliche Lüge dar. Über den angeblichen Aussteller wird nicht getäuscht. |
F |
Weiter kann A sich nach § 267 I 1. Var strafbar gemacht haben, indem er eine Collage aus Briefkopf und neuem Arbeitszeugnis herstellte.
Dieser Fall ist mit dem Vorgang unter C vergleichbar. Der Collage kommt kein Beweiswert zu5. |
G | Schließlich kann A nach § 267 I 1. Var. eine unechte Urkunde hergestellt haben, indem er die Collage kopierte. |
I. 1. | Bei der Kopie müßte es sich um eine Urkunde handeln, in der über den wahren Aussteller getäuscht wird6. Es müßten also die7 erwähnten Merkmale gegeben sein. |
a) |
Problematisch erscheint hier zunächst die Frage, ob eine Fotokopie überhaupt eine menschliche Gedankenerklärung verkörpern kann.
Hiergegen könnte man zunächst einwenden, die Kopie enthalte schon deshalb keine menschliche Gedankenerklärung, weil sie eine technische Aufzeichnung sei8, die einschlägige Norm wäre dann § 268. § 268 setzt aber schon nach der Legaldefinition in § 268 II die selbständige Aufzeichnung von Daten voraus. Dies ist bei einem Kopiergerät nicht gegeben. Hier wird lediglich eine vorhandene Information vervielfältigt, nicht aber verändert9. Allerdings könnte man jetzt immer noch meinen, die Fotokopie enthalte selbst keine Erklärung, sondern stelle nur das Abbild der Urschrift dar10, allenfalls könne sie Auskunft darüber erteilen, daß ein Original existiere11. Diese Ansicht erklärt allerdings nicht, warum eine bestimmte Aussage der Urschrift eine Erklärung verkörpern soll und auf der Kopie nicht12. Ganz abgesehen hiervon erkennt der Rechtsverkehr - der ja gerade geschützt werden soll - der Kopie sehr wohl einen Erklärungswert zu13. Die Kopie verkörpert also eine menschliche Erklärung. |
b) |
Zu prüfen ist als nächstes, ob der von A hergestellten Kopie auch eine Beweiswert zukommt.
Hiergegen könnte man zunächst einwenden, die Kopie besitze schon deshalb keine Beweiskraft, weil es sich nur um eine Wiedergabe handele14. Ob der leichten Fälschbarkeit brauche sich auch niemand mit der Vorlage einer Fotokopie zu begnügen15. Dem wären zunächst praktische Überlegungen entgegen zu halten: Der Rechtsverkehr hat die Bedenken gegen den Beweiswert von Kopien weitgehend zurückgestellt16. Außerdem kann es nicht sein, daß der strafrechtliche Schutz schon deshalb entfällt, weil etwas leicht zu fälschen ist17. Man muß also annehmen, daß As Fotokopie sehr wohl ein Beweiswert zukommt. |
c) |
Schließlich müßte die von A erstellte Kopie eindeutig einem Aussteller zuzuordnen gewesen sein.
Dagegen konnte man zu Felde führen, eine Kopie lasse - anders als etwa die Durchschrift - ihren Aussteller nicht erkennen18. Bei der Kopie könnte es sich hiernach höchstens um eine schriftliche Lüge handeln19; die Bejahung einer Strafbarkeit stellte dann eine unzulässigen Rechtsfortbildung dar20. Dem liegt allerdings die unrichtige Annahme zugrunde, eine Urkunde, müsse IHREN Aussteller ausweisen, dann könnte es nämlich überhaupt keine unechten Urkunden geben. Außerdem ist allgemein anerkannt, daß es nicht auf den tatsächlichen Aussteller ankommen kann, sondern nur auf den "geistigen Urheber"21. Dem könnte man freilich entgegenhalten, bei der Kopie fehle es an der Autorisierung durch den Aussteller22. Im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut, kann es hierauf aber nicht ankommen. Auch das Argument, nur das Original gebe hinreichende Sicherheit23, vermag nicht zu überzeugen, schließlich würde man nur noch den schützen, der sich sowieso selber schützen kann24. Die hier vertretene Auffassung stellt auch keine unzulässige Rechtsfortbildung dar. Im StGB ist nicht definiert, wann der Aussteller erkennbar ist. Verletzt ein Verhalten das Rechtsgut der Strafnorm und läßt der Wortlaut eine Subsumtion zu, so spricht auch nichts gegen eine Strafbarkeit25. Die von A erstellte Kopie weist also sämtliche Urkundenmerkmale auf. |
2. |
A müßte das Unrecht der Urkundendelikte gerade in der Form des Herstellens verwirklicht haben.
Mit Hilfe des Kopierers hat A die neue unechte Urkunde erstellt. A hat sich somit tatbestandlich im Sinne des § 267 I 1. Var. verhalten. |
3. | A wußte und wollte, daß die von ihm erstellte Kopie geeignet sein würde, den potentiellen Arbeitgeber über die Ausstellerschaft zu täuschen. |
II. |
Rechtfertigungs-, sowie Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich.
A hat sich also der Herstellung einer unechten Urkunde nach § 267 I 1. Var strafbar gemacht |
H | Weiter kann sich A wegen Gebrauches einer unechten Urkunde im Sinne von § 267 I 3. Var. strafbar gemacht haben. |
I. 1. |
Hierzu muß der Täter die gefälschte Urkunde dem zu Täuschenden so zugänglich machen, daß dieser sie sinnlich wahrnehmen konnte26.
A hat das gefälschte Zeugnis dem neuen Arbeitgeber zugeschickt und ihm damit zugänglich gemacht |
2. | Er wollte und wußte dies auch. |
II. |
Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich.
A ist nach § 267 I 3. Var. zu bestrafen |
I | A kann nach § 263 I wegen Betrugs zu strafen sein, weil er mittels eines gefälschten Zeugnisses eine Anstellung erschlich. |
I. | A fälschte ein Arbeitszeugnis, spiegelte also dem Beweis zugängliche27 Eigenschaften vor, die er offensichtlich nicht besaß28. |
II. | Durch diese Täuschung erregte er beim Unternehmen U die Vorstellung, einen qualifizierten und ehrlichen Mitarbeiter einzustellen29. |
III. | Weiter müßte das Unternehmen U über sein Vermögen verfügt haben. Hierunter ist jedes tatsächliche Handeln zu verstehen, durch das das Vermögen unmittelbar gemindert wird30. Die Personalabteilung Us schloß mit A einen Arbeitsvertrag. Die sich hieraus ergebenden Verpflichtungen minderten das Vermögen. |
IV. | Problematisch ist allerdings die Frage, ob auch ein Vermögensschaden eingetreten ist. |
1. | Dies wäre auf jeden Fall dann zu bejahen, wenn A die geschuldeten Leistungen nicht erbringen könnte31. Es ist aber davon auszugehen, daß A die nötigen Qualifikationen für die Kassierertätigkeit besaß. |
2. |
Man könnte den Vermögensschaden aber auch darin erblicken, daß das Unternehmen U mit A einen Mitarbeiter in eine Vertrauensposition eingestellt hat, der dieses Vertrauen offensichtlich nicht wert war32.
Dann müßte man allerdings annehmen, daß A die erste günstige Gelegenheit nutzen würde, um das Vermögen seines neuen Arbeitgebers zu schädigen33, oder aber, daß die Dienstleistung eines einmal auffällig gewordenen Menschen keinen Wert mehr habe34. A wäre dann so etwas wie eine "Zeitbombe" oder "Schädling", eine Sichtweise, die sich kaum mit Art. 1 I GG vereinbaren ließe35. Abgesehen davon würde man den Schadenseintritt zu weit vorverlagern36; mit der Einstellung wird nämlich erst die Möglichkeit einer weiteren deiktischen Handlung geschaffen37. Das Unternehmen U hat folglich keinen Vermögensschaden erlitten, und A ist somit nicht wegen Betruges strafbar. |
Ergebnis 1. Handlungsabschnitt
A hat sich im ersten Handlungsabschnitt folgende Tatbestände erfüllt: § 246 I, § 267 I 1. Var, § 267 I 3. Var.
Es muß nun noch festgestellt werden, in welchem Konkurrenzverhältnis sie zueinander stehen:
Zwischen den beiden Var. des § 267 könnte man Idealkonkurrenz annehmen38 oder die Var. 3 als mitbestrafte Nachtat ansehen39. Nach beiden Sichtweisen käme man nur zu EINER Straftat nach § 267 I, es muß also keine Entscheidung getroffen werden.
§ 246 I und § 267 I stehen zueinander in Tatmehrheit.
1 | Alle §§ ohne besondere Benennung sind solche des StGB |
2 | S-S-Lenckner, § 266 Rdn. 23 a; D-T, § 266 Rdn. 9; RGSt 69, 58 (61); BGHSt 3, 289 (294) |
3 | S-S-Cramer, § 266 Rdn. 23a; D-T, § 266 Rdn. 12a; RGSt 72, 194; BGHSt, NStZ 83, 455; BGH, StV 86, 203; BGH, wistra 87, 27 |
4 | Lackner, § 267 Rdn 2; D-T, § 267 Rdn. 2; S-S-Cramer, § 267 Rdn. 2; BayObLG 88, 20 (31); BGHSt 3, 82 (85); 24, 140 (141); im Ergebnis auch Puppe, Jura 79, 630 (632, 634) und Freund, JuS 93, 731; ders. JuS 91, 723 (725) |
5 | so auch bei ähnlichem Fall BayObLG, NJW 92, 3311 (3312); Keller, JR 93, 300 |
6 | bezüglich der Täuschung: Freund, JuS 94, 30 Lackner, § 267 Rdn. 17; S-S-Cramer, § 267 Rdn 48; D-T Rdn. 20 |
7 | unter C (Seite 1) |
8 | wie Schröder, JR 71, 469 (470) und SK-Samson, § 267, Rdn. 36 annehmen |
9 | D-T § 268, Rdn. 7; Lackner, §268 Rdn. 4; BGHSt 24, 140 (142); BGH, JR 71, 468 (469); Wessels, BT/1 Rdn. 844; Geppert, Jura 90, 271 (273) |
10 | BayObLG, NJW 92, 3311; BGHSt 24, 140 |
11 | Meyer, MDR 73, 9 (11) |
12 | Mitsch, NStZ 94, 88 (89) |
13 | Freund, JuS 91, 723 (725) |
14 | BayObLG, NJW 92, 3311 (3312) |
15 | BGHSt 20, 17 (19); Keller, JR 93, 300; Kienapfel, NJW 71, 1781 (1782) |
16 | Schröder JR 65, 232 (233); Freund, JuS 93, 1016 (1019, Fußnote 35) |
17 | Freund, JuS 91, 723 (726); ders., JuS 93, 1016 (1019) |
18 | BayObLG, NJW 90, 3221; BGH, StV 94, 18; BGHSt 5, 291; BGH, JR 71, 468 (469); BGHSt 24, 140 (141); Gustafsson, Urkunde S. 32 |
19 | Meyer, MDR 73, 9 (10); Kienapfel, NJW 71, 1781 (1783) |
20 | BGH, JR 71, 468; BGHSt 24, 140 |
21 | Mitsch; NStZ 94, 88 (89); Freund JuS 91, 723 (726); RGSt 75, 46 (47); BGHSt 13, 382 (385); im Ergebnis auch Puppe JR 81, 441 ff; Lackner, § 267 Rdn. 14; S-S-Cramer § 267 Rdn. 55 |
22 | Puppe, Jura 76, 630 (635) |
23 | BGHSt 20, 17 (19) |
24 | Freund, JuS 91, 723 (726) |
25 | Freund, JuS 91, 723 (726) |
26 | RGSt 41, 144 (146); BGHSt 36, 64 (65); Lackner, § 267 Rdn. 23; D-T, § 267 Rdn. 23 |
27 | bezüglich der Tatsachen: Wessels, BT/2 Rdn. 477; RGSt 56, 227 (231); Otto, BT § 51 III 1. (S. 214); S-S-Cramer, § 263 Rdn. 8 |
28 | bezüglich der Täuschung: Wessels, BT/2 Rdn. 480; Lackner, § 263 Rdn. 6; D-T, § 263 Rdn. 6 |
29 | bezüglich des Irrtums: Wessels, BT/2 Rdn. 492; S-S-Cramer, § 263 Rdn. 11 |
30 | RGSt 47, 151, 153; Wessels, BT/2 Rdn. 499, 500; S-S-Cramer, § 263 Rdn. 55; D-T, § 263 Rdn. 23 |
31 | RGSt 54, 37 (38); BGHSt 1, 13 (14); SK-Samson, § 263 Rdn. 178; S-S-Cramer, § 263 Rdn. 154; LK-Lackner, § 263 Rdn. 236 |
32 | vergleiche: BGHSt 17, 254 (259; BGH, NJW 78, 2042 (2043); LK-Lackner, § 263 Rdn. 238; Haupt, NJW 58, 938 (939) |
33 | vergleiche: BGHSt 17, 254 (259); BGH, NJW 78, 2042 (2043) |
34 | in diesem Sinne: Haupt, NJW 58, 938 (939) |
35 | so zumindest für erste Ansicht: Miehe, JuS 80, 261 (264) |
36 | SK-Samson, § 263, Rdn. 178 |
37 | S-S-Cramer, § 263 Rdn. 154; Sonnen, JA 79, 166 |
38 | BGH, GA 55, 245 (246); BGHSt 5, 291 (293) D-T § 267 Rdn. 35; SK-Samson, § 267 Rdn. 93; Maurach, BT/2 § 65 Rdn. 78 |
39 | OLG Nürnberg, MDR 51, 53; Sax, MDR 51, 587(591) |