Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Es spricht jetzt der Kollege Rupert Scholz.

Dr. Rupert Scholz (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst mit der Feststellung beginnen, daß ich meinerseits ausdrücklich begrüße, daß wir eine Einigung erreicht haben. Das Thema ist schwierig. Wir haben über viele, viele Jahre diese Fragen diskutiert. Wir haben in diesen Jahren um eine Lösung gerungen und einen Kompromiß gefunden. Ein Kompromiß erfüllt nie die Wünsche von jedermann; das ist völlig klar. Das gilt auch für unsere Position. Ich denke aber, daß wir insgesamt einen guten, einen effektiven und vor allem einen verfassungskonformen Kompromiß erzielt haben.

Wenn ich Sie ansprechen darf, Herr Meyer -- Sie haben angekündigt, Herr Schily würde sich später in dieser Richtung äußern --: Sie haben vorhin gesagt, daß Sie, gesetzt den Fall, Sie bekämen eine Mehrheit -- das wird jedoch nicht passieren --, zu Änderungen schreiten würden. Ich halte das für keinen guten Schritt. Wir haben gut zusammengearbeitet. Wir haben zusammen diskutiert und gerungen. Jetzt sollten wir auch gemeinsam dazu stehen und nicht schon in dieser Stunde, in der wir darüber zu entscheiden haben, ankündigen: Gibt es eine andere Mehrheit, geht das Ganze in eine andere Richtung. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU -- Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Wir sind ehrliche Leute! Wir machen so etwas nicht!)

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Geldwäschegesetz nur kurz Stellung nehmen.

(Abg. Dr. Jürgen Meyer [Ulm] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Auch dies ist eine gute, in konstruktiver Zusammenarbeit entstandene Regelung, die in diesem Bereich der besonders schweren Kriminalität zu dem Modernsten gehört, das es international gibt. Hier kann ich nur sagen: Dies ist gut und sinnvoll. Davon können wir uns wirklich Erfolg versprechen.

Bitte, Herr Meyer.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Professor Scholz, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Dr. Rupert Scholz (CDU/CSU): Ja.

Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Herr Kollege Scholz, stimmen Sie mir zu, daß wir uns darauf verständigt haben, in der nächsten Legislaturperiode von der Bundesregierung einen Erfahrungsbericht bezüglich der Neuregelung vorgelegt zu bekommen, und sind Sie mit mir der Meinung, daß, wenn sich die Regelung -- es gibt ja unterschiedliche Einschätzungen -- in dem einen oder anderen Punkt nicht bewährt, Veränderungen in der nächsten Legislaturperiode sehr wohl begründet sein könnten?

Dr. Rupert Scholz (CDU/CSU): Herr Meyer, das ist eine ganz andere Argumentation. Wenn Sie auch vorhin so verstanden werden wollten, dann sage ich: Ich bin damit einverstanden. Wir haben uns ja sehr bewußt darauf verständigt, daß wir einen Weg gehen, den man sorgfältig beobachten muß. Es können sich aus Erfahrungen, die wir im Laufe der Zeit sammeln, Änderungsnotwendigkeiten ergeben; das ist selbstverständlich. Das ist vereinbart worden; dazu stehe ich. Aber ich habe Sie vorhin anders verstanden. Wenn Sie es vorhin so gemeint haben, wie Sie das jetzt darstellen, dann sage ich: Ich höre es sehr gern.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Professor Scholz, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, diesmal vom Kollegen Beck?

Dr. Rupert Scholz (CDU/CSU): Nein. Ich denke, ich fahre jetzt in meiner Rede fort. Wenn ich etwa an die Ausführungen von Herrn Such von vorhin denke, fällt es mir etwas schwer, diese Zwischenfrage zuzulassen, weil ich denke, daß hier vergleichbare Argumente oder Scheinargumente vorgebracht werden.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das bezieht sich auch entscheidend auf Art. 13 des Grundgesetzes. Dazu komme ich jetzt.

Art. 13 Grundgesetz schützt die räumliche Privatsphäre -- das ist in der Tat ein ganz wichtiges Grundrecht --, er steht aber von vornherein -- übrigens seit 1949 -- auch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Sicherheit. Die Diskussion über dieses Grundrecht ist völlig falsch geführt worden. Das beginnt mit der Diskreditierung unserer Vorschläge, wenn man von einem "Lauschangriff" spricht. Es geht nicht um Angriffe, sondern es geht um die Rechtssicherheit und die Kriminalitätsbekämpfung. Ich unterstreiche nachdrücklich das, was der Bundesjustizminister vorhin gesagt hat:

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kommt aus Ihrer Ecke, diese Formulierung!)

Es geht um den Schutz von Opfern. Es geht um den Schutz von Freiheiten der Bürger vor Kriminalität, um nichts anderes.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Natürlich muß man Gratwanderungen bestehen, auch solche verfassungsrechtlicher Art. So respektiere ich durchaus denjenigen, der in einer sachlichen Auseinandersetzung durch sachlich vorgetragene Kritik eine andere Auffassung vertritt. Aber wer mit Polemik, mit Rabulistik, mit Verfälschung operiert

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Pfui Deibel! Unglaublich!)

und Scheinargumente vorbringt, der verdient wahrhaftig kein Gehör in einer Debatte, die eine Bedeutung wie die heute zu führende hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU -- Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Präsidentin, der Redner ist fertig!)

Meine Damen und Herren, zugespitzt hat sich bekanntlich -- mit dieser Frage möchte ich mich schwerpunktmäßig befassen -- die von mir zitierte Gratwanderung, die zu treffende Güterabwägung, ganz wesentlich in der Frage: Wie sieht es mit dem aus, was wir als Beweiserhebungsverbot und/oder Beweisverwertungsverbot zugunsten bestimmter Berufsgruppen und privat-persönlicher Vertrauensverhältnisse bezeichnen?

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rupert Scholz verzichtet auf weitere Redezeit!)

Dabei war für uns von Anfang an selbstverständlich, daß etwa Beichtgespräche gerade bei jenen Religionsgemeinschaften, die -- das möchte ich unterstreichen -- über den staatskirchenrechtlichen Sonderstatus von Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 137 der Weimarer Verfassung verfügen und damit unserem Staat ja schon von vornherein in einem Verhältnis der Koordination gegenüberstehen, einen besonderen grundrechtlichen Schutz genießen und demgemäß nicht abgehört werden können. Dies mußte im Grunde nicht eigens klargestellt werden -- es wurde damit implizit ja in Zweifel gezogen --, sondern war bei klarer Würdigung der Verfassung selbstverständlich.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Michaela Geiger)

Allerdings muß man -- darauf möchte ich auch hinweisen -- sehr sorgfältig hinschauen, wenn man sich mit diesen notwendigen Fragen der Güterabwägung auseinandersetzt. Art. 137 der Weimarer Verfassung besagt, daß auch diese Religionsgemeinschaften dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze unterliegen. Ich wiederhole: der allgemeinen Gesetze. Das ist kein absolut rechtsfreier Raum. Zu den allgemeinen Gesetzen gehören bekanntlich ganz entscheidend auch die Normen des Strafrechts und des Strafprozeßrechts.

Wir haben, auch wenn wir immer wieder die technische Wohnraumüberwachung gefordert haben, nie in Frage gestellt, daß die Unverletzlichkeit der Wohnung ein hohes verfassungsrechtliches Gut ist.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Sohn, Gott vergibt dir; der mithörende Staatsanwalt jedoch nicht!)

Genauso zweifelsfrei ist aber auch, daß Art. 13 Grundgesetz, der eben jene räumliche Privatsphäre schützt, weder einen a priori rechtsfreien Raum begründet noch einen Schutzraum für Kriminalität oder kriminelle Handlungen erschließt. Das Grundrecht des einzelnen auf Schutz der räumlichen Privatsphäre besteht nicht absolut; es wird vielmehr relativiert durch das Grundrecht des einzelnen wie der Allgemeinheit auf Rechtssicherheit. Rechtssicherheit ist notwendig die komplementäre Seite der Freiheitsgarantien unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Das heißt, der Bürger hat einen Anspruch auf effektiven Schutz vor Kriminalität, insbesondere im Bereich der Schwerkriminalität. Darum bemühen wir uns. Hier mußten Abwägungen vorgenommen werden. Diese Abwägungen sind verfassungskonform vorgenommen worden. Die Unverletzlichkeit der Wohnung gilt nicht absolut. Sie kann aber nur unter äußerst eng begrenzten und unter wirksamen justitiellen Voraussetzungen eingeschränkt werden.

Verfassungsrechtlich Bestand haben insbesondere auch die sorgfältig ausdifferenzierten Regelungen zu jenen Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten. Sie korrespondieren mit entsprechenden Zeugnisverweigerungsrechten, wie wir sie bisher schon kennen. Es wäre allerdings, meine Damen und Herren, verfassungsrechtlich verfehlt, wenn man annehmen wollte, daß diesen Zeugnisverweigerungsrechten im vorliegenden Zusammenhang allein mit Beweiserhebungsverboten Genüge getan werden könnte. Gerade das ist nicht richtig und entspricht nicht der Verfassungslage.

Freiheit findet ihre Grenzen bekanntlich immer am Mißbrauch. Wer Freiheit zur Kriminalität mißbraucht, der mißbraucht die Freiheit. Das ist ein allgemein geltender Rechtsgrundsatz. Dieser Grundsatz gilt auch in diesem Bereich. Das haben wir ausdrücklich in § 100 d Abs. 3 StPO zum Ausdruck gebracht.

Meine Damen und Herren, Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote können beide nicht in Betracht kommen, wenn jenes Vertrauensverhältnis, das grundsätzlichen Schutz genießt, zur Begünstigung, zur Strafvereitlung, zur Hehlerei, also zu strafbaren Handlungen, mißbraucht wird. Das heißt, jeder, der unter Beweiserhebungsverbot oder Beweisverwertungsverbot steht -- wohlgemerkt jeder, auch der Abgeordnete, das möchte ich deutlich klarstellen --, hat natürlich keinen Schutz, wenn er sich verdächtig macht, seinerseits strafbare Handlungen zu begehen oder sich an solchen zu beteiligen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Verfassungsrechtlich unbedenklich, ausgewogen sind die hier behandelten Gesetzesergänzungen auch hinsichtlich der Beweisverwertungsverbote. Betrachtet man den einschlägigen Katalog der Zeugnisverweigerungsrechte in der Strafprozeßordnung, so stellt man fest, daß damit nicht nur Pressevertreter, Ärzte und Rechtsanwälte begünstigt werden, sondern auch Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Zahnärzte, Apotheker, Hebammen usw. Schon die Quantität dieser Berufsgruppen zeigt, daß man hier nicht pauschal mit Beweiserhebungsverboten hätte operieren können.

Nun wird aber -- und die Diskussion kennen wir, sie wird mit einiger kräftiger Begleitmusik von einigen Berufsgruppen in der Öffentlichkeit gefahren -- aus vermeintlichen Verfassungsgründen ein weitergehendes Beweiserhebungsverbot gefordert. Meine Damen und Herren, dazu möchte ich gerne einiges sagen: Wenn man die verfassungsrechtlichen Positionen jener Berufsgruppen -- von Anwälten über Ärzte bis hin zu all denen, die ich hier zitiert habe -- näher betrachtet, so ist ganz eindeutig, daß es eben keine absoluten Beweiserhebungsverbote geben kann.

Nehmen wir als Beispiel einmal die Pressefreiheit: Sie ist unbestreitbar wichtig, unbestreitbar verfassungsrechtlich garantiert; sie besitzt hohen Verfassungsrang. Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen -- wie vom Bundesverfassungsgericht sehr deutlich ausgeführt worden ist --, daß die Freiheit der Presse, zu der natürlich der Schutz der Informationsbeschaffung und damit auch Vertraulichkeit gehören, nicht ohne Schranken besteht. Auch die Pressefreiheit findet ihre Grenzen am Vorbehalt der allgemeinen Gesetze.

(Beifall des Abg. Norbert Geis [CDU/CSU])

Hierzu zählt die Strafprozeßordnung in den Worten des Bundesverfassungsgerichts -- ich zitiere wörtlich -- die prinzipielle Verpflichtung

für jeden Staatsbürger, zur Wahrheitsermittlung im Strafverfahren beizutragen und die im Gesetz vorgesehenen Ermittlungshandlungen zu dulden.

Das Bundesverfassungsgericht sagt weiter:

Der Gesetzgeber ist weder gehalten, noch steht es ihm frei, der Presse- und Rundfunkfreiheit absoluten Vorrang vor anderen wichtigen Gemeinschaftsgütern einzuräumen. Er hat insbesondere auch den Erfordernissen einer an rechtsstaatlichen Garantien ausgerichteten Rechtspflege Rechnung zu tragen, deren Aufgabe es ist, in dem ihr vorgegebenen verfahrensrechtlichen Rahmen die Durchsetzung von Gerechtigkeit zu ermöglichen.

(Beifall des Abg. Norbert Geis [CDU/CSU] sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das ist ein wörtliches Zitat des Bundesverfassungsgerichtes. Auch das ist für uns verbindlich, wenn wir hier eine verfassungsrechtliche Güterabwägung gesetzlich umzusetzen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

Das Interesse an einer möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung im Strafverfahren ist, wie das Bundesverfassungsgericht uns sehr deutlich gezeigt hat, ein außerordentlich hohes Verfassungsgut. Die Aufklärung von Straftaten ist es, aber natürlich auch die Verhinderung von Straftaten. Alles dies gehört zusammen. Es gehört zum Kernbestand unseres Rechtsstaatsprinzips. Dem haben wir uns nicht nur zu stellen, mit dem haben wir uns nicht nur auseinanderzusetzen, sondern dem haben wir auch gerecht zu werden. Jetzt ist die Stunde der Entscheidung, die heute zu treffen ist, ist die Stunde der rechtsstaatlichen Bewährung einer verfassungskonformen Lösung, die wir gefunden haben und die, wie ich denke, jegliche Unterstützung verdient.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Lassen Sie mich noch einmal das Bundesverfassungsgericht zum Thema Zeugnisverweigerungsrechte zitieren. Das Gericht sagt wörtlich:

Sie -- die Zeugnisverweigerungsrechte -- stellen Ausnahmen von der Pflicht zur umfassenden Aufklärung der materiellen Wahrheit dar und bergen demzufolge die Gefahr in sich, daß die Gerichte ihre Entscheidungen auf mangelhafter Tatsachengrundlage treffen. Die Begründung und Erweiterung solcher Rechte bedarf daher stets einer Legitimation, die vor dem Rechtsstaatsprinzip Bestand hat.

Genau das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! Und das gilt auch für die Frage des Beweisverwertungsverbots oder des Beweiserhebungsverbots. Diese verfassungsrechtliche Vorgabe zwingt -- das will ich deutlich dazu sagen -- zu einer abgestuften Regelung, wie wir sie in mühsamem Ringen, in einem mühsamen Diskussionsprozeß, aber auch in einer stets an konstruktiver Lösung orientierten Atmosphäre gefunden haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aus diesem Grunde denke ich, daß wir allen Grund haben, diesen Kompromiß, diese kriminalpolitisch grundsätzlich erforderlichen und verfassungsrechtlich eindeutig rechtsstaatskonformen Regelungen heute mit der nötigen Mehrheit zu verabschieden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD)


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