Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der Bundesminister der Justiz, Edzard Schmidt-Jortzig.

(Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [PDS] überreicht Abg. Dr. Gregor Gysi [PDS] eine rote Rose -- Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Das ist ja eine tolle Inszenierung! -- Gegenruf des Abg. Dr. Gregor Gysi [PDS]: Das hat nichts mit meiner Rede zu tun!)

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Gesetzentwürfe, die heute zur abschließenden Beratung und Beschlußfassung anstehen, haben schon im Vorfeld Emotionen geweckt und wecken sie natürlich auch in dieser Debatte. Zum Teil überrollen diese Emotionen die Sachlichkeit völlig. Die einen feiern diese Gesetze als Vorstufe zum Sieg über das Böse. Andere feiern sie, indem sie sagen, das sei der Beweis für den Untergang des Rechtsstaates. Von beidem kann überhaupt nicht die Rede sein.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Diese Gesetzentwürfe sind nicht mehr, aber auch nicht weniger -- darum zu ringen, meine Damen und Herren Kollegen von den Grünen, lohnt sich wirklich -- als ein ganz wichtiger Schritt zur Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität. Die Bürger erwarten von uns, daß ihre Freiheit und ihr Eigentum wirksam geschützt werden. Ich bin davon überzeugt, daß wir hier weniger emotional diskutieren würden und uns mehr auf die Sache konzentrieren könnten, wenn sich alle etwas mehr mit der Situation der Opfer beschäftigten,

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

nämlich der Opfer von Schutzgelderpressungen, von Drogenhandel, von Schlepperkriminalität und Bandenkriegen. Das alles ist den Grünen offenbar völlig egal.

(Beifall bei der CDU/CSU -- Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie ja selber nicht!)

Diese Opfer haben ebenso ein Recht auf Sicherheit und einen Anspruch auf wirksame Kriminalitätsbekämpfung, wie die Täter bzw. Beschuldigten ein Recht auf die Unverletzlichkeit ihrer Wohnung haben.

Lieber Herr Gysi, es ist doch ein wenig amüsant, wenn Sie sich hier zum Verteidiger der Freiheitlichkeit machen.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Ich habe den Eindruck, daß Sie nicht recht verstanden haben, was Freiheit in einem Rechtsstaat bedeutet. Das bedeutet nämlich auch, daß man einen Anspruch auf Sicherung seiner Grundrechte und seiner Bürgerrechte durch den Staat hat. Das ist in einem Rechtsstaat der Fall.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU

sowie bei Abgeordneten der SPD)

Unsere schwierige Aufgabe ist es, diese beiden Bürgerrechte gegeneinander abzuwägen und eine Lösung zu finden, bei der es nur einen Sieger gibt, nämlich den Rechtsstaat.

Verehrter lieber Herr Kollege Meyer, ich möchte an dieser Stelle ein Wort an Sie richten: Daß Sie zu diesem Punkt dem Wirtschaftsminister, meinem Fraktionskollegen Rexrodt, vorgeworfen haben, er habe sich für die Steuerhinterzieher eingesetzt, ist natürlich nicht nur böswillig, sondern auch eine völlige Verkennung der Veranstaltung. Es ging darum, die Durchlässigkeit der Membran Staatsanwaltschaft für die Geldwäschemeldung an die Finanzbehörden zu problematisieren, und um das Problem der Sicherung der informationellen Selbstbestimmung. Es ist gar keine Frage, daß dies mit in die Abwägung einbezogen werden muß. Daß man bei der Abwägung zu anderen Ergebnissen kommen kann, ist für mich als Liberalen selbstverständlich. Nur das hat Günter Rexrodt bewegt, wie ich aus einem intensiven Gespräch, das ich dazu mit ihm geführt habe, weiß.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Meyer?

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Nicht dazu, lieber Herr Meyer, zu jedem anderen Punkt, aber über den Punkt und den Anwurf gegen den Kollegen Rexrodt lasse ich nicht mit mir rechten. Dazu lasse ich keine Frage zu, es sei denn, Sie wollen Ihren Vorwurf zurücknehmen.

(Heiterkeit -- Otto Schily [SPD]: Sie wollen die Frage also vorher zensieren!)

-- So ist es.

(Otto Schily [SPD]: So geht das im Parlament nicht, Herr Minister!)

-- Also, in Gottes Namen.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Meyer.

Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Herr Minister Schmidt-Jortzig, weil dies von Ihnen so gewünscht wird, lasse ich den Kollegen Rexrodt außen vor und frage Sie, ob wir darin übereinstimmen, daß das Steuermodell, das wir vereinbart haben, nur effektiv sein kann, wenn eine frühzeitige Mitteilung seitens der Staatsanwaltschaft an das zuständige Finanzamt erfolgt, und daß dieses Steuermodell überhaupt nichts bringen kann, wenn die Mitteilung erst dann erfolgt, wenn der Vermögensbesitzer längst durch die Anklageschrift erfahren hat, was ihm vorgeworfen wird. Meinen Sie nicht, daß die vereinbarte Änderung gegenüber dem geltenden Recht, wonach gemäß § 10 Geldwäschegesetz die Mitteilung an die Finanzbehörden erst nach Rechtskraft der Verurteilung vorgesehen ist, außerordentlich sinnvoll ist?

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Herr Kollege Meyer, zunächst akzeptiere ich, daß Sie die persönlichen Anwürfe zurückgenommen haben.

(Heiterkeit bei der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -- Fritz Rudolf Körper [SPD]: Siehste!)

Im übrigen wissen Sie, daß ich Ihrer Bewertung der Abwägungslage und Ihrem Ergebnis zustimme. Deswegen habe ich darüber auch mit dem Kollegen Rexrodt gesprochen. Sie können aber ebensowenig bestreiten, daß bei dieser Aktion, die ich für richtig und vertretbar halte, das Datenschutzrecht der Bankkunden natürlich ein Stückchen weit eingeschränkt wird. Hier ist also wieder eine Abwägung angesagt. Hier zu anderen Ergebnissen zu kommen und sich damit auseinanderzusetzen ist nun wahrlich eines Liberalen würdig. Deswegen haben wir das in einer solchen Diskussion ausgetragen; nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren Kollegen, wenn man sich der Sache ruhig und unvoreingenommen nähert, wird deutlich, daß es sich die Kollegen Schily, Däubler-Gmelin und Meyer, Kanther, Geis und Scholz, Glogowski, Behrens und Beckstein ebenso wie der Kollege Kleinert und ich für die F.D.P.-Fraktion mit dieser Abwägung wahrlich nicht leicht gemacht haben. Aber wir haben sie wenigstens angestellt und nicht von vornherein gesagt: Das interessiert uns alles gar nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir hatten Ihnen bereits im Oktober ein ausgewogenes Ergebnis präsentiert. Das ist in den Ausschußberatungen so, wie das in einem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren der Fall sein soll, noch weiter verbessert worden. Eines will ich auch sagen: Wenn die Dinge tatsächlich so bedrohlich sein sollten, Herr Kollege Beck, wie es die Gegner der Initiative behaupten, dann müßten sie es erst recht bei den präventiven Lauschangriffen sein, die nach den Landespolizeirechten seit vielen Jahren zulässig sind und ohne all die Konditionen und Einschränkungen angeordnet werden können, wie wir sie jetzt für die repressiven Abhörmaßnahmen vorsehen. Dazu habe ich aber von den jetzigen Kassandras, jedenfalls von Ihnen, Herr Beck, nie etwas gehört. Es sind auch keine Skandale vorgekommen. Irgendwo stimmt diese Argumentation also nicht.

(Jörg van Essen [F.D.P.]: Sehr richtig!)

Die Gesetzentwürfe ermöglichen die akustische Wohnraumüberwachung zu Beweiszwecken, also im repressiven Bereich bei der Strafermittlung. Experten bestätigen, daß wir grundsätzlich diese Möglichkeit brauchen, um die organisierte Kriminalität effektiver, nämlich auch in der Strafermittlung effektiver, zu bekämpfen.

Damit diese Möglichkeit aber nur in engen rechtsstaatlichen Grenzen gezielt gegen die Schwerstkriminalität eingesetzt wird, haben wir schon im Grundgesetz eine Fülle genauer Voraussetzungen und Einschränkungen verankert. Zum Zwecke der Strafverfolgung darf nur abgehört werden; einen Spähangriff gibt es nicht. Das ist manchen nicht ganz recht gewesen, aber es ist jetzt jedenfalls so in der Verfassung. Auch die akustische Überwachung ist nur bei dem konkreten Verdacht besonders schwerer Straftaten und auch hier nur als Ultima ratio zulässig. Sie wird durch einen Spruchkörper mit drei Richtern angeordnet, nur im Eilfall durch einen einzelnen Richter, im übrigen nicht durch irgendeinen, sondern durch den Vorsitzenden Richter.

Ein Schwerpunkt -- darauf will ich noch ein bißchen eingehen -- der Diskussion gerade der vergangenen Wochen war die Frage, ob die Schutzansprüche von Zeugnisverweigerungsberechtigten hinreichend gewahrt blieben. Hier ist es -- lassen Sie mich das ruhig Stück für Stück angehen -- rechtssystematisch schon ein Fortschritt, daß wir den Blick überhaupt nicht mehr auf die Interessenkollision bzw. deren Vermeidung bei den Zeugnisverweigerungsberechtigten beschränken, sondern ausdrücklich die bei ihnen entstehenden Vertrauensverhältnisse in den Blick nehmen, wie das, so glaube ich, auch wirklich zwingend ist, weil sich da die grundrechtliche Schutzwirkung wirklich entfaltet. Das hat bisher im Bereich des Zeugnisverweigerungsrechts herzlich wenig stattgefunden. Deswegen haben wir dieses Problem auch schon seit längerem, nicht zuletzt bei der Fernmeldeanlagenüberwachung, worauf der Innenausschuß ausdrücklich hingewiesen hat.

Diese Vertrauensverhältnisse sind durchweg grundrechtlich geschützt -- sei es aus dem Persönlichkeitsrecht, sei es aus der Protektion von Ehe und Familie, aus dem Recht auf ungestörte Religionsausübung oder aus der Verbürgung spezifischer Berufsfreiheit. Es geht also um eine angemessene verfassungsmäßige Abwägung dieser Rechte gegenüber der anderen Verfassungsposition, nämlich dem Strafverfolgungsauftrag des Staates sowie den Schutzansprüchen Dritter für ihre von Kriminalität bedrohten Rechtsgüter.

Diese Abwägung haben wir im neuen § 100 d Abs. 3 StPO im einzelnen festgelegt und strukturiert. Dabei gehen wir -- wie auch schon der Vorwurf gekommen ist, den man nicht ganz leicht nehmen darf -- bis an die Grenzen der praktischen, realitätsnahen Nutzbarkeit der Abhörmöglichkeit. Wer hier nun von apokalyptischen Visionen, von grundsätzlicher Zerstörung und von endgültiger Aufkündigung jeder Vertrauensverhältnisse spricht, verkennt die tatsächlichen Gegebenheiten völlig.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denn nur wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß jemand eine besondere Straftat begangen hat, wie sie gesetzlich ausdrücklich aufgeführt ist, und im übrigen alle anderen Möglichkeiten --

(Zuruf des Abg. Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS])

-- Herr Heuer, nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, daß man in einem Rechtsstaat die Gesetze ernst nehmen muß.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Nur wenn im übrigen alle anderen Möglichkeiten der Ermittlung nicht weiterführen, darf überhaupt eine Belauschung gegen Beschuldigte angeordnet werden.

Darüber hinaus muß das dann auch noch ein Kollegialgericht entscheiden, und über die Erkenntnisverwertung muß es anschließend noch einmal entscheiden. Wer danach immer noch behaupten will, daß der allgemeine Überwachungsstaat drohe, niemand mehr vor strafermittlerischer Belauschung sicher sein könne, der nimmt entweder den vorgelegten Gesetzestext einfach nicht zur Kenntnis -- offenbar gehören Sie, Herr Heuer, zu dieser Kategorie --, und mißtraut prinzipiell dem ganzen Rechtsstaat.

Herr Gysi ist zu seiner Geburtstagsfeier davongegangen. Ich würde ihm gerne sagen, daß seine Vorstellungen an diesem Punkt an einem grundsätzlichen Mißverständnis zu der Staatlichkeit unter dem Grundgesetz und der, die er erlebt hat, kranken.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Hirsch?

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Sekunde. --

Oder er verabschiedet sich von der Realität, und dazu würde ich Ihre Vorstellung, Herr Such, herzlich gerne rechnen; denn die hatte mit der Wirklichkeit herzlich wenig zu tun.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Sie haben sich hier zwar mit einem durchaus publikumswirksamen Gag eingeführt, was die "Wanzenkammer" betrifft, aber ich habe den Eindruck, Sie wären besser Kammerjäger geworden als jemand, der sich in Rechtspolitik versucht.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

Bitte sehr.

Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Herr Minister, Sie sagten, wer eine solche Befürchtung habe, verabschiede sich von der Realität. Stimmen Sie mir denn nicht darin zu, daß als Voraussetzung für das Einbrechen in eine Wohnung und das Präparieren mit Wanzen genügt, daß sich derjenige, der im einfachen Tatverdacht einer schweren Straftat steht, vermutlich in dieser Wohnung aufhält? Das hat zur Folge, daß es trotz des völlig rechtmäßigen Verhaltens des Wohnungsinhabers, der davon gar nichts zu wissen braucht, ermöglicht wird, daß die Gespräche in dieser Wohnung abgehört werden. Ein völlig rechtmäßiges Verhalten schützt ihn nicht davor, daß die Arglosigkeit des Gespräches in dieser Wohnung genutzt wird. Verhält sich dies nicht so?

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Lieber Herr Hirsch, zweierlei: Zum einen haben wir ausdrückliche Kautelen für das Belauschen des Beschuldigten in der Wohnung eines Dritten festgelegt. Es sind bestimmte Kautelen vorhanden, die Ihren Verdacht merklich und entscheidend minimieren.

Zum zweiten: Das Neue an der ganzen Geschichte im Gegensatz zum präventiven Lauschangriff ist doch, daß die Anordnung nur von einer Strafkammer ausgesprochen werden kann. Ich gehe davon aus, daß diese Strafkammer unsere Gesetze ernst nimmt und auch die Verfassung kennt und somit ganz zwingend die Verhältnismäßigkeit des Eingriffes in den Schutzbereich der Wohnung nach Art. 13 beurteilt. Wenn ich nicht darauf vertrauen kann, daß drei Richter in einer Strafkammer diese Abwägung korrekt treffen, wird es grundsätzlich problematisch, überhaupt daran zu glauben, daß man mit den Mitteln des Gesetzes und des Rechts Schranken ziehen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Rezzo Schlauch?

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Herzlich gerne.

Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Justizminister, ich komme noch einmal auf die Problematik des Zeugnisverweigerungsrechtes zurück, die Sie ja angesprochen haben. Wie lösen Sie denn den Widerspruch auf, daß einerseits die Anwaltschaft in der Rechtsordnung als Organ der Rechtspflege behandelt wird und andererseits diesem Organ ein Schutzbereich bei seiner zivilrechtlichen und steuerrechtlichen Tätigkeit verweigert wird?

Zum anderen: Halten Sie es nicht für eine Schieflage, wenn Sie auf der einen Seite -- das ist natürlich verfassungsrechtlich vorgegeben -- den Abgeordneten ein privilegierendes Schutzrecht zukommen lassen, aber Anwälten und Ärzten, die mit Sicherheit im jeweiligen Vertrauensverhältnis mit viel relevanteren Sachverhalten konfrontiert werden als Abgeordnete, diesen Schutz verweigern?

(Zuruf von der SPD: Das ist eine Unterstellung!)

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Herr Kollege, wir haben die Abgeordneten in keiner Weise privilegiert. Wir gehen auch nicht von der immer wieder unterstellten Vorstellung aus, daß die Abgeordneten eine ganz besondere Moral hätten. Im Gegenteil, es steht im Gesetz ausdrücklich, daß, wo immer der Verdacht aufkommt, daß sie irgendwo mitmischen könnten -- es muß ja bei der organisierten Kriminalität an den Brückenkopf der Korruption gedacht werden, bei der auch Abgeordnete bevorzugte Zielobjekte sind --, eine absolute Ausnahme für Abgeordnete überhaupt nicht gegeben ist. Wir nehmen hier auch keine neue Privilegierung vor. Ich bitte Sie darum, ruhig und sachlich den Art. 47 und insbesondere dessen Satz 2 im Grundgesetz zu lesen. Soviel zu den Abgeordneten.

Zu Ihren übrigen Anmerkungen in bezug auf die Anwälte bzw. den Übergang ihrer Tätigkeit zum Strafverteidiger: Wir befinden uns hier nur in der Repression. Wir regeln also nur den Lauschangriff, die elektronische Wohnraumüberwachung, zu Beweiszwecken im Strafverfahren bzw. bei der Strafermittlung. Es geht also überhaupt nicht darum, irgend etwas zu regeln, was damit nichts zu tun hat. Wenn beispielsweise jemand zu einem Anwalt geht und

sich über Möglichkeiten unterhält, sein Testament besser zu gestalten, dann weiß ich gar nicht, wie jemand auf die Idee kommen kann, wir würden durch unsere Regelung die Möglichkeit zum Belauschen eröffnen.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte bitten, daß ich jetzt meinen letzten Punkt vortragen kann. Mir ist nämlich ein bißchen -- ich finde es aber gar nicht schlecht, daß Sie mich zu vielen Punkten gefragt haben -- die Zeit davongelaufen.

Man wird eben nicht jede Wohnung oder jeden Arbeitsplatz eines Zeugnisverweigerungsberechtigten einfach aus der Beweiserhebung nehmen können. Hier möchte ich gerne den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen zitieren, der diese Problematik in der auch von Ihnen oft gefeierten Entscheidung sehr kurz und bündig, wie ich finde, auf den Punkt gebracht hat. Ich zitiere:

Jeder Raum, der nach außen den Anschein absoluter Schutzwürdigkeit erweckt, kann immer in einer Weise genutzt werden, die diesen Schutz nicht verdient.

Das bedeutet nun aber überhaupt nicht, daß die Bürger überall und ständig mit einer akustischen Überwachung rechnen müssen. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz hat dies ausdrücklich klargestellt. Die Aufgeregtheiten halten einer nüchternen Betrachtung schon deshalb nicht stand, weil die Entwürfe, wie bereits dargestellt, strenge Voraussetzungen für staatliche Eingriffe vorsehen.

Ich wäre gerne noch auf die zweite Säule eingegangen, nämlich auf den besseren Zugriff auf Gewinne aus Verbrechen und dubiose Vermögen. Herr Kollege Meyer hat hundert Prozent recht, wenn er sagt, daß dies ein ganz wichtiger, mindestens genauso wichtiger, vielleicht in der Praxis sogar noch wichtigerer Teil unseres Gesetzgebungspaketes ist.

(Jörg van Essen [F.D.P.]: Sehr richtig!)

Es fehlt mir aber die Zeit, darauf einzugehen. Ich schließe mich ausdrücklich den Ausführungen des Herrn Kollegen Meyer an.

Meine Damen und Herren, die vor Ihnen liegenden Gesetzentwürfe sind keine Wunderwaffe. Sie sind aber auch kein Schreckgespenst. Sie sind ganz schlicht unser Beitrag, der Beitrag des Deutschen Bundestages, zur Bekämpfung der international organisierten Kriminalität. Ich hoffe sehr, daß die Länder im Bundesrat dieses Angebot annehmen werden und zum Schulterschluß gegen das Verbrechen bereit sind.

Ich bitte Sie, meine Damen und Herren Kollegen -- auch diejenigen aus der grünen Fraktion --, diesen Gesetzentwürfen zuzustimmen und den Schulterschluß gegen das Verbrechen schon heute zu vollziehen, um zu zeigen, daß es uns mit der Verteidigung des Rechtsstaates gegen Angriffe ernst ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Häfner.

Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Bundesjustizminister, Sie haben es für nötig und angebracht gehalten, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anzugreifen, und zwar in einer Weise, die ich scharf zurückweisen möchte.

Sie haben gesagt, wir hätten überhaupt keinen Blick und kein Interesse für die Opfer von Straftaten. Sie haben weiterhin gesagt, wir würden das Phänomen der organisierten Kriminalität schlicht nicht zur Kenntnis nehmen und hätten keine Antworten darauf. Ich halte das nicht nur für einen ungeheuerlichen Vorwurf, sondern auch -- lassen Sie mich das so sagen -- für intellektuell unredlich. Ich behaupte, daß wir manchmal den Opfern sogar näher sind als Sie. Und mit Ihnen ringen wir in diesem Parlament um den besseren Weg zur Bekämpfung der Kriminalität. Aber zu behaupten, wir hätten keinen solchen Weg, liegt nun wirklich neben der Realität.

Lassen Sie mich ein paar Sätze zur organisierten Kriminalität sagen. Was ist das eigentlich? Die organisierte Kriminalität ist ja kein neues Phänomen; es gab sie schon im Mittelalter. Die Raubritterbanden oder später dann der Räuber Kneißl oder Klaus Störtebeker stellten bereits Formen der organisierten Kriminalität dar.

Die organisierte Kriminalität bekämpft man nicht mit der Schrotflinte oder mit dem Staubsauger und auch nicht, indem man ständig laut darüber redet und überwiegend symbolische Gesetzgebung betreibt. Die organisierte Kriminalität bekämpft man vielmehr, indem man genau hinguckt, um welche Straftatbestände es sich dabei eigentlich handelt, und indem man gezielt und adäquat dagegen vorgeht. Lassen Sie mich ein paar solche Kriminalitätsbereiche nennen. Der Drogenbereich ist einer der wichtigsten Komplexe in der organisierten Kriminalität. Ein anderer ist der Bereich des Menschenhandels, der Prostitution und des Rotlichtmilieus, ein weiterer jener der Wirtschafts- und Umweltkriminalität.

Für die Bekämpfung all dieser Kriminalitätsformen haben wir Antworten, aber eben andere als Sie. Wir würden sehr gerne die Polizei von diesem völlig unsinnigen Kampf gegen die kleinen Drogensüchtigen entlasten, der gar nichts bringt. Die Polizei soll endlich gegen die, die damit die Geschäfte machen und die Fäden ziehen, vorgehen. Sie soll nicht die einbuchten, die irgendwo auf dem Marktplatz etwas konsumieren, und diese dann wieder freilassen, sondern sie soll ihre Kraft darauf richten, gegen die vorzugehen, die mit dem Drogenhandel die großen Profite machen.

Oder: Wir würden sehr gerne im Bereich der Prostitution durch eine rechtliche Anerkennung der Prostitution die betroffenen Frauen aus der Illegalität herausholen und damit endlich wirksam gegen den Menschenhandel vorgehen können, indem die Frauen, die von solchen Verbrechen betroffen sind, auch hier im Land als Zeugen gegen die Täter aussagen können, ohne Gefahr zu laufen, abgeschoben zu werden.

Sie kennen doch unsere Vorschläge. Wir haben auch in den Bereichen Wirtschaftskriminalität und Umweltkriminalität, wie ich meine, bessere Vorschläge. Lassen Sie uns doch nicht behaupten, es gebe keine Vorschläge. Lassen Sie uns feststellen: Wir ringen um die bestmögliche Lösung.

Nur noch ein Wort zu dem, was Sie hier vorschlagen. Sie tun so, als sei durch die vorgesehene richterliche Kontrolle und den Gesetzestext gesichert, daß all das, was nicht verwertet werden darf, nicht in die Materialien und Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden eingeht. Warum sind Sie dann nicht unserem Vorschlag gefolgt, diesen Punkt so zu regeln, wie das in den USA der Fall ist? Sie berufen sich doch selbst immer wieder auf die USA als Beispiel. Dort ist es aber nicht wie in Ihrem Entwurf, daß der Richter am Anfang vertrauensvoll und ohne die Sache wirklich beurteilen zu können, über den Antrag entscheidet und danach aus dem Verfahren heraus ist. In den USA begleitet der Richter das Verfahren und muß jeden einzelnen Schritt genehmigen.

Was Sie wollen, führt dazu, daß aus dem intimen Bereich unzähliger Bürger Erkenntnisse, die niemanden etwas angehen, die dem privatesten Bereich angehören und die sogar dem Zeugnisverweigerungsrecht unterliegen, erst einmal in die Akten eingehen und sogar in der Hauptverhandlung --

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Häfner, die Redezeit ist beendet.

Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): -- ich komme zum Schluß -- abgespielt und vorgeführt werden können, um anschließend festzustellen, daß sie nicht verwertet werden dürfen. Dann sind sie aber schon im Bewußtsein aller Beteiligten.

Wir wollen deshalb klare Beweiserhebungsverbote. Wir wollen, daß der Richter das Ganze begleitet. Das wollten Sie aber nicht. Deshalb gehen Sie hier einen Weg, der meines Erachtens auf dramatische Weise dazu führt, daß die Sicherheit der Bürger -- die eigentlich Ihr Anliegen ist -- aufs Spiel gesetzt wird und Grundrechte abgebaut werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Möchten Sie antworten, Herr Bundesminister?

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Nein.


zurueck home weiter
HTML-Umsetzung: Alexander Koch (ak@laWWW.de)