Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.

Detlef Kleinert (Hannover) (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Was wir eben gehört haben, hatte zur Voraussetzung, daß man die Augen wirklich ganz fest vor dem verschließt, was hier als Vorlage auf dem Tisch liegt,

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. sowie bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

um dann anschließend Angriffe zu starten und bei den rechtstreuen Bürgern Panik davor zu erzeugen, daß sie abgehört werden. Die naturwissenschaftliche bzw. logische Wahrscheinlichkeit, daß in einer gegen Null gehenden Anzahl von Fällen etwas möglich ist, was wir ausdrücklich und konkret mit einer Fülle von Vorsichtsmaßnahmen und Einschränkungen zu vermeiden versucht haben, kann doch nicht dazu führen, daß Sie die Dinge von den Füßen auf den Kopf stellen,

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. sowie bei der CDU/CSU)

nur um hier Ihre absolute Unwilligkeit, das Notwendige zu tun, zu bemänteln und zu versuchen, dafür Verständnis bei denjenigen Bürgern zu erwecken, die wahrlich überhaupt nicht in Gefahr sind, von solchen Maßnahmen betroffen zu werden, und die dann, wenn sie als Unschuldige einmal beteiligt sein sollten, auf jeden Fall eine Fülle von Rechten auf Information und gegebenenfalls auf Entschädigung haben.

(Uta Titze-Stecher [SPD]: Die ihre Unschuld zurückkriegen, ja, ja!)

Diese Vorkehrungen werden dazu beitragen, daß die Bürger nach wenigen Jahren der Praxis in den wenigen Fällen, in denen dieses Mittel überhaupt angewandt werden wird, völlig beruhigt darüber sein werden, daß es sich hier um eine äußerst vorsichtige, rechtsstaatlich abgesicherte allerletzte Maßnahme für eine kleine Anzahl von Fällen handeln wird.

(Widerspruch bei der PDS)

Was Sie sagen, wird man weder heute noch in Zukunft sehen und erfahren können. Was man aber leider in vielen Ländern der Welt sehen und erfahren kann, das sind Schutzgettos, in die sich Familienväter mit ihren Familien zurückgezogen haben, um Leib und Leben ihrer Angehörigen und ihr Eigentum zu schützen, weil sie rundum von einer ausufernden Kriminalität bedroht sind. Diese Dinge kann man in hochzivilisierten Ländern, zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, und in einer Fülle von im übrigen durchaus ordentlich verwalteten Ländern leibhaftig betrachten.

Wir möchten, daß, bevor solche Zustände auch bei uns immer mehr um sich greifen, alles Notwendige, alles Mögliche getan wird, um solche Maßnahmen bei uns nicht notwendig werden zu lassen, damit unseren Bürgern nicht nur ihre Freiheit -- das ist uns nach wie vor das Wichtigste --, sondern auch die Sicherheit, die zur Freiheit gehört, gewährleistet wird.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Das kann immer nur ein Abwägungsprozeß sein.

Wenn die Fachleute der Ermittlungen uns sagen "In einzelnen, besonders schwerwiegenden Fällen muß auch die akustische Überwachung von Wohnräumen möglich sein,

(Manfred Such [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einzelnen? 50 Delikte!)

weil man international beobachten kann, daß solche Maßnahmen durchaus zu beachtlichen Ermittlungserfolgen bei schwerster Kriminalität geführt haben", dann muß man sich an solchen Beratungen beteiligen, weil es nicht über die Frage des Ob, sondern über die Frage des Wie zu streiten gilt, weil die Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden muß: durch die Bestimmung der Eingriffstatbestände, durch die Art der Anordnung. Erstmals haben wir in einem solchen Fall das Kollegialgericht nicht nur zwingend vereinbart, sondern wir haben diese Maßnahme sogar im Grundgesetz festgeschrieben, damit sie sich allen Befürchtungen, man könne da später wieder ewas aufweichen, entzieht.

Gegenüber dem, was hier beschlossen und im Grundgesetz zur Absicherung dieser rechtsstaatlichen Anordnungen festgeschrieben worden ist, ist Ihr Vergleich mit den derzeitigen Telefonabhörmaßnahmen, mit denen wir auch nicht zufrieden sind und zu denen wir hier ausdrücklich erklärt haben -- auch in der Verhandlungskommission --, daß wir sie keineswegs so unbesehen weiter hinnehmen wollen, im Hinblick auf die völlig unterschiedliche Art der Voraussetzungen und der Anordnung unzulässig und gehört nur zu den Mitteln, mit denen Sie die Öffentlichkeit verwirren und von dem ablenken wollen, was hier wirklich geschieht.

Wir müssen, wenn eine derartige Maßnahme in ganz seltenen Einzelfällen angeordnet wird, aber auch eines wissen: Wer grundsätzlich gegen das Abhören in Wohnungen ist und den damit verbundenen Sicherheitsverlust in Kauf nimmt, und zwar aus einer so grundsätzlichen Überzeugung heraus, mit dem wird man füglich nicht weiter diskutieren können. Da kann man nur sagen: Ich bin anderer Auffassung, respektiere aber auch diese Meinung. Wir werden deshalb denen, die bei uns anderer Ansicht sind, auch im Rahmen der Debatte und nicht mit endlosen persönlichen Erklärungen Gelegenheit geben, ihren abweichenden Standpunkt in einer so wichtigen Frage hier darzustellen. Das ist alles in Ordnung.

Aber wenn man sagt "Man muß abhören", dann muß man so konsequent sein, nicht eine Gebrauchsanweisung zu schaffen und gesetzlich darauf hinzuweisen, in welchen Räumen man sich risikofrei bewegen und unterhalten kann.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

Das wäre zu unserem großen Bedauern der Fall, wenn man auch bei denjenigen, die Berufsgeheimnisse zu wahren haben -- und das selbstverständlich weiterhin sollen --, das Abhören an sich grundsätzlich verbieten würde. Deshalb haben wir versucht, den Schutz des Berufsgeheimnisses einerseits und die lückenlose Aufzeichnung der Gespräche mit Kriminellen andererseits sicherzustellen, indem wir gesagt haben: Wir schaffen umfassende Verwertungsverbote; wir schaffen in den grundgesetzlich besonders gesicherten Verhältnissen sogar Erhebungsverbote, und die Sicherungen, die ohnehin in großer Fülle eingebaut worden sind, sind hier noch strenger.

Die Angehörigen der beratenden Berufe wie Anwälte, zu denen ich mich zähle, werden Verständnis dafür haben, daß das minimale Risiko, im Laufe langer Jahre in einem Einzelfall vielleicht einmal abgehört zu werden, gegenüber der Tatsache in Kauf zu nehmen ist, daß leider einzelne Kollegen doch der Versuchung erliegen könnten, ihre Büroräume für Verabredungen zur Verfügung zu stellen, die wir in dieser Form, noch dazu mit ausdrücklichen Hinweisen auf solche Schutzräume, nicht dulden können, wenn wir uns nicht der Inkonsequenz bei unserem Vorhaben zeihen lassen wollen.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Weil es beim besten Willen nicht anders geht, muß an dieser Stelle dieses Opfer, das sich in der Praxis auf die ganz überwältigende Zahl der Berufsangehörigen nicht auswirken wird, doch gebracht werden. Ich bin überzeugt, daß auch die weiteren Diskussionen -- das alles sind Prozesse, die nicht mit der heutigen Abstimmung abgeschlossen werden -- dazu führen werden, daß diese Notwendigkeit akzeptiert wird, wenn erst einmal der Umfang der Schutzmaßnahmen in seinem vollen Umfang erkannt sein wird.

Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, daß es den Freien Demokraten, daß es den Liberalen in diesem Lande immer in besonderem Maße um die Rechtsstaatlichkeit, um die Freiheit der Bürger, um die Unverletzlichkeit ihrer Privatsphäre gegangen ist.

(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, gegangen ist!)

Erstens muß man dann aber auch die Sicherheitserfordernisse, die zu der Freiheit, sich frei zu bewegen, gehören, abwägen. Zweitens wäre es nicht gerade sehr logisch und konsequent, wenn wir nicht stolz auf das wären, was insbesondere im vorigen Jahrhundert im Kampf gegen einen bedenkenlosen überbordenden Obrigkeitsstaat geleistet worden ist. Wir müssen das, was wir an demokratischem Rechtsstaat erreicht haben, zur Grundlage unserer heutigen Betrachtungen machen; denn das ist auf Grund dieser Kämpfe unser freiheitlich gestalteter Staat. Deshalb können wir nicht die Schlachten von gestern schlagen, sondern müssen, so vorsichtig es nur irgendwie möglich ist, vertrauensvoll mit unserem eigenen Staat und seinen Behörden umgehen.

Das sind die Grundsätze, nach denen wir hier mühsam und gründlich verhandelt haben. Deshalb können wir heute mit gutem Gewissen, obwohl keineswegs mit Freude, das, was zustande gekommen ist, akzeptieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie der Abg. Renate Jäger [SPD])


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