Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich rufe den Kollegen Professor Dr. Jürgen Meyer auf.

Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer den vorliegenden Vorschlag zur Neuregelung und nicht etwa, wie gelegentlich fälschlich behauptet, zur Einführung der elektronischen Überwachung von Wohnräumen überzeugend und fair beurteilen will,

(Manfred Such [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Haarspalterei!)

muß sich zuerst mit dem bisher geltenden Recht und der Rechtswirklichkeit auseinandersetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das geltende Verfassungsrecht läßt die elektronische Überwachung von Wohnräumen zur Gefahrenbekämpfung und insbesondere präventiven Bekämpfung schwerer Straftaten zu. Das steht nun nicht nur seit fast 50 Jahren in der Verfassung, sondern ist in den Polizeigesetzen der Länder konkretisiert worden. Dort finden wir -- damit müssen wir uns vertraut machen; das dürfen wir nicht ausblenden -- detaillierte Regelungen zur elektronischen Wohnraumüberwachung. Diese stehen nicht nur auf dem Papier. Wer das meint, sollte sich einmal die sehr ausführlichen Informationen, die auf die Große Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion dem Bundestag zugeleitet wurden, ansehen. Diese Informationen findet man in der Bundestagsdrucksache 13/4942 vom 19. Juni 1996. Dort ist aufgeführt, welche Praxis der elektronischen Wohnraumüberwachung zur Gefahrenabwehr es in den Bundesländern gibt.

Ich persönlich kritisiere seit vielen Jahren eine gewisse Ausuferung dieser Praxis, die dadurch ermöglicht wird, daß wir keine präzisen rechtsstaatlichen Regelungen in den Polizeigesetzen haben.

(Jörg van Essen [F.D.P.]: Sehr richtig!)

Aus diesem Grunde fordere ich seit langem eine rechtsstaatliche Kontrolle und Einschränkung.

(Manfred Such [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch SPD-Länder!)

-- Herr Kollege Such, wenn Sie sagen: "Auch SPD-regierte Bundesländer", dann sage ich: Ja, auch rotgrün regierte Bundesländer haben diese Praxis.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie bei der CDU/CSU und der F.D.P. -- Jörg van Essen [F.D.P.]: Genauso ist es!)

Weil ich ein Kritiker dieser Ausuferungen bin, freue ich mich darüber, daß wir im geänderten Art. 13 der Verfassung vier Einschränkungen der präventiven Wohnraumüberwachung festlegen werden.

(Beifall bei der F.D.P. -- Jörg van Essen [F.D.P.]: Ein ganz wichtiger Erfolg!)

Ich nenne erstens den Richtervorbehalt. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis, daß in einigen Bundesländern in den Fällen, in denen bei Gefahr im Verzuge eine Wohnraumüberwachung ohne Einschaltung des Gerichts durchgeführt worden ist, eine nachträgliche richterliche Kontrolle nicht vorgesehen ist. Diese Kontrolle ist künftig kraft Verfassung vorgesehen. Einzelne Polizeigesetze müssen daher geändert werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)

Ich nenne zweitens die nunmehr von der Verfassung ausdrücklich vorgesehene öffentliche Berichterstattung. Dabei haben wir uns an die amerikanischen "wire-tap reports" angelehnt. Das ist ein revolutionärer Schritt für das geltende Recht. Das gibt es bisher im gesamten Strafverfahren nicht. Diejenigen, die sich im Strafverfahrensrecht auskennen, wissen, daß bisher -- das verändern wir nun -- das Ermittlungsverfahren dem Grundsatz der Heimlichkeit unterliegt. In den Berichten, die in jedem Jahr zu erstatten sind, muß künftig mitgeteilt werden, aus welchem Grund und mit welchem Ergebnis eine Wohnraumüberwachung durchgeführt worden ist.

Folgender Punkt ist uns in diesem Zusammenhang sehr wichtig: Es muß auch mitgeteilt werden, ob -- und wenn nein, warum nicht -- der Betroffene informiert worden ist. Dieses muß notfalls jährlich wiederholt werden. Wir sind der Auffassung, daß ohne die Benachrichtigung des Betroffenen dessen Recht, sich auf dem ordentlichen Rechtsweg gegen eventuelle rechtswidrige Maßnahmen zu wehren, nichts wert ist. Wir haben also eine Benachrichtigungspflicht und die Aufnahme der Erfüllung dieser Pflichten in die "wire-tap reports" vereinbart.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Jörg van Essen [F.D.P.] -- Zuruf des Abg. Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.])

-- Herr Kollege Hirsch, die Festschreibung der Berichtspflicht in der Verfassung ist aus unserer Sicht geboten, weil sonst der ordentliche Rechtsweg nicht garantiert ist.

(Jörg van Essen [F.D.P.]: Sehr richtig! -- Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.]: Sie schreiben es aber nicht in die Verfassung!)

-- Wir schreiben drittens in die Verfassung, daß auf Grund dieser Benachrichtigung auf der Grundlage dieser "wire-tap reports" eine parlamentarische Kontrolle durchzuführen ist, die es bisher nicht gibt.

(Manfred Such [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch mit den Verhältnissen in den USA nicht vergleichbar!)

Diese parlamentarische Kontrolle wird künftig durch Gremien, die von jedem Landtag und dem Bundestag neu einzurichten sind, durchgeführt werden.

(Abg. Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

-- Sofort, Herr Kollege Hirsch. Ich will nur noch den letzten Punkt, den wir in die Verfassung geschrieben haben, nennen.

Viertens schränken wir die materiell-rechtliche Voraussetzung der elektronischen Wohnraumüberwachung im präventiven Bereich ein, indem wir sie nicht mehr zur Verhütung von Gefahren, sondern nur zur Abwehr von Gefahren zulassen. Es gibt also kein Ermitteln im Vorfeld, das sozusagen wie ein Stochern mit der Stange im Nebel wäre.

Wir schreiben ferner in die Verfassung, daß eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und nicht lediglich eine Gefahr für die öffentliche Ordnung bestehen muß, die derartige Maßnahmen von Verfassungs wegen rechtfertigt.

Bitte schön, Herr Kollege Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Herr Kollege Meyer, gerade wegen der besonderen Bedeutung der Benachrichtigung des Beschuldigten oder des Wohnungsinhabers möchte ich Sie fragen: Räumen Sie ein, daß diese Pflicht zur Benachrichtigung des Beschuldigten oder des betroffenen Wohnungsinhabers eben nicht in der von Ihnen vorgesehenen Verfassungsänderung steht? Räumen Sie weiterhin ein, daß die von Ihnen vorgesehene Änderung der Strafprozeßordnung zuläßt, daß die Nichtbenachrichtigung selbst über die Hauptverhandlung hinaus andauern kann, mit der Folge, daß zwar die Staatsanwaltschaft und das erkennende Gericht das Lauschprotokoll kennt, nicht aber der Verteidiger und der Angeklagte? Räumen Sie das ein?

Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Herr Kollege Hirsch, Sie haben die vorgesehene Neuregelung unvollständig wiedergegeben.

(Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Nicht gelesen!)

Erstens steht in unserer Neuregelung, daß nach zwei Jahren die zuständige Strafkammer des Landgerichts entscheiden muß, ob die Nichtbenachrichtigung bestehenbleibt oder ob nunmehr benachrichtigt werden muß.

Zweitens, Herr Kollege Hirsch, schreiben wir vor, daß dann, wenn die Benachrichtigung nicht erfolgt ist, mit Begründung in die jährliche Berichterstattung für das Parlament geschrieben werden muß, warum diese nicht erfolgt ist. Eine parlamentarische Kontrolle -- das werden Sie doch einräumen --, die den Rechtsschutz für den Betroffenen sichert, gibt es bisher nicht. Diese sehen wir jetzt vor. Das sollten Sie, bitte schön, auch als früherer Innenminister, weil die Polizeigesetze insoweit zu ergänzen sind, als Erfolg für den Rechtsschutz der Betroffenen werten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Professor Meyer, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage und zwar des Kollegen Schily?

Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Ja, bitte schön.

Otto Schily (SPD): Herr Kollege Meyer, ist es nicht so, daß ein Abhörprotokoll wenn es vorliegt und zu den Akten kommt -- das erkennende Gericht kann von einem Abhörprotokoll nur dann Kenntnis erhalten, wenn es zu den Akten kommt --, wenn es zu einer Hauptverhandlung kommt, automatisch auch den Beteiligten zugänglich gemacht werden muß?

(Jörg van Essen [F.D.P.]: Sehr gute Frage!)

Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Diese Frage beantwortet sich auf Grund des Akteneinsichtsrechts des Verteidigers, das dieser für seinen Mandanten ausübt, von selbst.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Gestatten Sie eine weitere Frage des Kollegen Hirsch?

Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Ja, Herr Kollege Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Herr Kollege, es tut mir leid, daß ich nach der Frage des Kollegen Schily jetzt doch noch einmal auf die Beschlüsse des Rechtsausschusses hinweisen muß, und zwar auf den § 101, die neu hinzugefügte Fassung. Ist es nicht so, Herr Kollege, daß genau diese Fassung es dabei beläßt, daß das Lauschprotokoll nicht Bestandteil der Strafakten wird, also nicht dem Verteidiger zugänglich ist, und daß im Fall der Nichtbenachrichtigung, das heißt, wenn die Staatsanwaltschaft nicht benachrichtigen will, das erkennende Gericht entscheidet, ob benachrichtigt werden soll oder nicht, so daß in diesem Fall zwar das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht die Umstände und das Lauschprotokoll kennt, aber eben nicht der Beschuldigte und nicht der Verteidiger? Ist das nicht genau das, was aus den Beschlüssen des Rechtsausschusses, und zwar aus § 101 Abs. 1 letzter Satz, exakt hervorgeht?

Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Herr Kollege Hirsch, auch dies ist -- es tut mir leid, das sagen zu müssen -- nicht ganz zutreffend. Denn nicht das erkennende Gericht entscheidet über die Benachrichtigung oder Nichtbenachrichtigung zwei Jahre nach Abschluß der Maßnahme, sondern die Strafkammer, die auch über die Zulassung der Wohnraumüberwachung entscheidet, befindet hinterher, ob benachrichtigt werden muß oder nicht.

Ich möchte Ihnen, wenn Sie gestatten, sagen, welche Wirkung dies nach unserer Einschätzung hat.

Gelegentlich wird in bezug auf die Praxis, etwa bei Telefonüberwachungen, kritisiert, daß ein Richter, der zufällig gerade Nachtdienst hat und von Strafrecht vielleicht nichts versteht, unter Umständen relativ leichthändig eine solche Maßnahme anordnet. Dies ist künftig nicht mehr möglich. Was wir vorgesehen haben, geht auf den Vorschlag des BGH-Präsidenten Geiß zurück, der gesagt hat: Das Gericht -- Sie wissen, das ist eine Strafkammer eines Landgerichts für einen ganzen Oberlandesgerichtsbezirk -- muß, jedenfalls dann, wenn Zeugnisverweigerungsrechte betroffen sind -- das bewegt uns ja --, die Maßnahme nicht nur zulassen, sondern dieses Gericht und nicht das erkennende Gericht muß sich, wenn solche Personen belauscht worden sind, das Protokoll ansehen und entscheiden, ob es überhaupt verwertet werden darf. Das ist ein doppeltes Instrument. Erst danach geht das Protokoll zum erkennenden Gericht. Aber ich nehme an, in der Debatte wird Gelegenheit sein, das noch zu vertiefen.

Ich wollte eigentlich vor allem zu dem sprechen, was uns das Wichtigste ist. Deshalb mache ich zum Thema der Wohnraumüberwachung nur noch eine Bemerkung. Es wird gelegentlich gesagt, neu sei die Wohnraumüberwachung, die repressiv, also zur Aufklärung von Straftaten, vorgesehen sei. Auch das trifft nicht zu. Ich nehme an, daß diejenigen, die sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beschäftigen, wissen, daß seit etwa zwei Jahren auch die Erkenntnisse aus den zur Gefahrenabwehr durchgeführten Wohnraumüberwachungen im Strafverfahren unter der Voraussetzung benutzt werden können, daß sie polizeirechtlich rechtmäßig waren. Das heißt, die Unterscheidung -- in diesem Punkt hat der Kollege Geis recht -- zwischen präventiver und repressiver Überwachung ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes überholt. Wir sind der Auffassung, daß es nicht Sache der Rechtsprechung in einer Von-Fall-zu-Fall-Entwicklung, des anzuwendenden Rechts ist, sondern der Verantwortung des Parlaments obliegt, zu sagen, wann auch zur Aufklärung von Straftaten solche Überwachungen durchgeführt werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich will nur noch anmerken, daß es nach unserer Auffassung, was den Schutz von Zeugnisverweigerungsberechtigten angeht, einen nicht behobenen Dissens gibt. Wir als SPD-Fraktion hätten diesen Schutz gerne weiter gefaßt, hätten jedenfalls gerne auch diejenigen, die durch eine strafrechtlich bewehrte Schweigepflicht geschützt sind, also Anwälte und Ärzte, unter gewissen Voraussetzungen in ein Erhebungsverbot einbezogen. Das war nicht durchsetzbar. Aber dies ist eine Sache des einfachen Gesetzesrechts. Kollege Schily wird sicherlich noch ausführen, daß wir dies in Ordnung bringen werden, wenn sich die Mehrheiten verändern. Das ist unser Recht, weil dies eine Frage des einfachen Gesetzesrechts ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, von erheblich größerer Bedeutung als das Thema des Lauschens sind die vereinbarten neuen Instrumente zur Gewinnabschöpfung. Wie notwendig diese sind, ergibt sich schon aus der Strafverfolgungsstatistik. Ich nenne einmal eine Zahl aus dem Jahre 1995, auf die ich schon in der ersten Lesung hingewiesen habe. In jenem Jahr hat es bei insgesamt 683 000 Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht lediglich 682 Verfallsanordnungen gegeben. Die Relation von etwa 1 : 1000 spricht für sich. Verfallsanordnungen hat es, obwohl die Eigentums- und Vermögenskriminalität mehr als 65 Prozent der Gesamtkriminalität ausmacht, nur in 0,09 Prozent aller Urteile gegeben.

Das ist nicht in Ordnung. Deshalb haben wir vereinbart, das Recht von Verfall und Einziehung zu reformieren. Ein Diskussionsentwurf liegt vor. Wir haben vereinbart -- das soll nachher in einer Abstimmung bestätigt werden; darauf haben wir uns im Rechtsausschuß verständigt --, daß der Bundestag die erste Lesung der Reform im Februar durchführen und das Gesetzgebungsverfahren bis Ende Juni dieses Jahres abschließen soll. Hier muß etwas geschehen. Darüber haben wir uns -- das freut mich sehr -- verständigen können.

Außerdem haben wir durchgesetzt -- das war keine sonderliche Kontroverse --, daß Geldwäsche künftig keine kleinere Straftat mehr ist, die mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht ist. Denn die Androhung von Geldstrafe bedeutet für diejenigen, die das Riesengeschäft der Geldwäsche machen, nur, daß das ein Unkostenfaktor in der Kalkulation ihrer Geldwäschegewinne ist.

(Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Geldstrafe gibt es nicht mehr; dafür ist künftig ausschließlich Freiheitsstrafe angedroht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

Von größter Bedeutung für uns ist die vorgesehene Gewinnabschöpfung durch das Steuermodell, das wir im Hinblick auf die hervorragenden Erfahrungen in den Niederlanden nunmehr auch für die Gewinnabschöpfung in Deutschland vereinbart haben. In den Niederlanden werden mit diesem Modell in jedem Jahr etwa doppelt so viele Gewinne abgeschöpft wie mit dem ganzen strafrechtlichen Instrumentarium.

Wir sind der Auffassung, daß diejenigen, die mit dem Strafrecht nicht um ihre Gewinne gebracht werden können, weil sie sich -- das ist im Rechtsstaat so und hat so zu bleiben -- auf ihre Unschuldsvermutung berufen können, da man nicht den doppelten Nachweis erstens der Begehung schwerer Straftaten und zweitens der Erlangung des Vermögens aus diesen Straftaten führen kann, wie honorige Bürger zu behandeln sind. Das bedeutet aber, daß sie wie honorige Bürger Steuern zahlen müssen. Das bedeutet auch, daß künftig bei der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Geldwäsche das zuständige Finanzamt informiert wird. Dort muß der Betroffene, wie das uns allen im Besteuerungsverfahren obliegt, mitwirken. Da muß er sagen, woher er sein Vermögen hat. Wenn er es nicht tut, kann das Einkommen geschätzt werden. Wir versprechen uns von dieser Neuregelung sehr viel.

An dieser Stelle muß ich eine kritische Bemerkung in Richtung des Bundesverbandes der deutschen Banken und auch in Richtung des Herrn Bundeswirtschaftsministers machen. Als wir diese Neuregelung berieten, ist vom Bundesverband der deutschen Banken, unterstützt vom Bundeswirtschaftsminister, ein Änderungsvorschlag dahin gehend gemacht worden, daß man diese Mitteilung an das zuständige Finanzamt nicht sofort, sondern erst dann machen solle, wenn das Hauptverfahren eröffnet sei. Was das heißt, kann sich doch jeder ausmalen. Dafür muß Anklage erhoben sein, und davon erfährt der Betroffene. Bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist das Geld dann über alle Berge. -- Ich habe das für den schamlosen Versuch der Unterstützung von Steuerhinterziehung gehalten. Das muß man hier einmal deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte abschließend noch einmal darauf hinweisen, daß wir vereinbart haben, Verbesserungen des geltenden strafrechtlichen Verfallrechts, auf die ich jetzt im einzelnen nicht mehr eingehen kann, einzuführen, die eine zum Steuermodell flankierende Funktion haben werden.

Auch von der nunmehr vorgesehenen Neuregelung im Finanzverwaltungsgesetz, wonach die Verbringung von Bargeld oder gleichgestellten Zahlungsmitteln der zollamtlichen Überprüfung unterstellt wird, versprechen wir uns einiges. Die Fälle, in denen Personen mit Geldbeträgen von 30 000 DM -- das soll der Schwellenwert sein -- oder mehr in das Bundesgebiet eingereist oder in das Ausland ausgereist sind, haben nach Auskunft der Innenministerien und der Zollbehörden in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Die nunmehr vorgesehene Anzeigepflicht ist im Falle der Nichterfüllung mit einer Geldbuße verbunden, die in schweren Fällen bis zu 100 Prozent des mitgeführten Geldes betragen kann.

Wir meinen, wer in redlicher Absicht derart große Mengen von Geld bei sich führt, muß nicht fürchten, dies auch offenzulegen. Anders verhält es sich offensichtlich bei denen, die ihre Gewinne aus Drogenhandel großen Stils oder aus Menschenhandel in andere Länder bringen oder mit dem mitgeführten Geld derartige Verbrechen finanzieren wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, organisierte Kriminalität muß an der Wurzel gepackt werden. Deshalb müssen wir alles tun, damit Verbrechen sich nicht lohnen. Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität ist ein Kampf für den Rechtsstaat. Der erreichte Kompromiß ist aus unserer Sicht ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Wir bedauern, daß es keine Zustimmung der Koalition zu dem von uns gewollten größeren Schutz von Berufsgeheimnisträgern und ihres Zeugnisverweigerungsrechtes gegeben hat. Wir werden das erneut kritisch prüfen, wenn wir nach dem 27. September eine Mehrheit dafür in diesem Hause haben.

(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Das ist doch nur ein Wunschtraum, Herr Meyer!)

Es ist vor allem der erreichte Fortschritt bei der Durchsetzung der Forderung "Verbrechen dürfen sich nicht lohnen", der uns Sozialdemokraten neben der verfassungsrechtlich garantierten neuen rechtsstaatlichen Kontrolle beim präventiven Überwachen von Wohnungen in einer Gesamtabwägung dazu veranlaßt, diesem Kompromiß zuzustimmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)


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