Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO

der Abgeordneten Hermann Bachmaier, Eckart Kuhlwein, Brigitte Adler, Klaus Barthel, Hans-Werner Bertl, Rudolf Bindig, Anni Brandt-Elsweier, Dr. Michael Bürsch, Hans Büttner (Ingolstadt), Edelgard Bulmahn, Hans Martin Bury, Peter Conradi, Dr. Marliese Dobberthien, Peter Dreßen, Gernot Erler, Petra Ernstberger, Elke Ferner, Gabriele Fograscher, Eva Folta, Katrin Fuchs (Verl), Konrad Gilges, Iris Gleicke, Angelika Graf (Rosenheim), Günter Gloser, Christel Hanewinckel, Dr. Liesel Hartenstein, Monika Heubaum, Uwe Hiksch, Reinhold Hiller (Lübeck), Ingrid Holzhüter, Barbara Imhof, Brunhilde Irber, Gabriele Iwersen, Ilse Janz, Klaus Kirschner, Marianne Klappert, Dr. Hans-Hinrich Knaape, Siegrun Klemmer, Nicolette Kressl, Horst Kubatschka, Helga Kühn-Mengel, Konrad Kunick, Brigitte Lange, Detlev von Larcher, Christa Lörcher, Erika Lotz, Dorle Marx, Ulrike Mascher, Heide Mattischeck, Ulrike Mehl, Herbert Meißner, Angelika Mertens, Michael Müller (Düsseldorf), Dr. Edith Niehuis, Doris Odendahl, Günter Oesinghaus, Manfred Opel, Adolf Ostertag, Albrecht Papenroth, Dr. Martin Pfaff, Georg Pfannenstein, Karin Rehbock-Zureich, Renate Rennebach, Otto Reschke, Bernd Reuter, Dr. Edelbert Richter, Günter Rixe, Marlene Rupprecht, Dr. Hansjörg Schäfer, Gudrun Schaich-Walch, Dr. Hermann Scheer, Horst Schmidbauer (Nürnberg), Dagmar Schmidt (Meschede), Heinz Schmitt (Berg), Gisela Schröter, Dr. R. Werner Schuster, Dr. Angelica Schwall-Düren, Horst Sielaff, Dr. Siegrid Skarpelis-Sperk, Wolfgang Spanier, Antje-Marie Stehen, Ludwig Stiegler, Dr. Bodo Teichmann, Margitta Terborg, Jella Teuchner, Franz Thönnes, Uta Titze-Stecher, Adelheid Tröscher, Ute Vogt (Pforzheim), Hans Wallow, Dr. Konstanze Wegner, Matthias Weisheit, Hildegard Wester, Dr. Norbert Wieczorek, Berthold Wittich, Dr. Wolfgang Wodarg, Heidi Wright (alle SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes

(Artikel 13 GG)

(elektronische Wohnraumüberwachung)

(Tagesordnungspunkt 14 a)

Wir, die Unterzeichnenden, werden den vorgelegten Gesetzentwürfen, soweit sie eine Änderung des Artikels 13 GG und Folgeänderungen der Strafprozeßordnung beinhalten, nicht zustimmen.

Auch für uns hat ein wirksamer Schutz der Menschen vor Kriminalität einen unverrückbar hohen Stellenwert. Wir wissen aber auch, daß es zum Wesen des demokratischen Rechtsstaates gehört, einen letzten unantastbaren Bereich der Privatsphäre zu schützen und zu gewährleisten, daß vertrauliche Gespräche im engsten Familienkreis und mit Vertrauenspersonen, die entweder einer gesetzlichen Schweigepflicht unterliegen oder sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen können, eines absoluten Schutzes bedürfen. Dies gilt für die beratenden Berufe ebenso wie für Ärzte, Therapeuten, Beraterinnen und Berater in Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Suchtfragen sowie für Journalistinnen und Journalisten. Nur dann, wenn dieser absolute Vertrauensschutz gewährleistet ist, kann erwartet werden, daß rat- oder hilfesuchende Menschen sich ihren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern auch rückhaltlos offenbaren. Nur dann können diese Gespräche mit Vertrauenspersonen auch erst ihre heilsame und häufig auch befriedende Wirkung entfalten. Es nützt nichts, wenn diese Gespräche zwar zunächst abgehört und aufgezeichnet werden können -- über ihre Verwertung aber erst später unter Gesichtspunkten der Güterabwägung ein Gericht befindet. Zeugnisverweigerungsberechtigte Personen und ihre Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner bedürfen in dem Zeitpunkt, in dem diese Gespräche zu führen sind, der Gewißheit, daß der Inhalt dieser Gespräche nicht an die Ohren von Dritten, auch nicht an die Ohren der Strafverfolgungsorgane gelangen kann.

Die jetzt vorgenommene Aufspaltung in schutzwürdigere Gespräche von Geistlichen, Verteidigern und Abgeordneten und weniger schutzwürdige Gespräche aller anderen Vertrauenspersonen, die sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen können, ist weder sachgerecht noch in irgendeiner Weise vertretbar. Gespräche im beratenden und therapeutischen Bereich können nur dann sinnvoll geführt werden, wenn der durch Zeugnisverweigerungsrecht geschützte Personenkreis seinen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern absolute Vertraulichkeit im Zeitpunkt des Gespräches garantieren kann. Wenn auch nur entfernt die Möglichkeit im Raum steht, daß diese Gespräche abgehört und aufgezeichnet werden könnten und erst später ein Gericht darüber befindet, ob sie einer anderweitigen Verwertung zugänglich gemacht werden oder nicht, ist diesen Gesprächen ihre wichtigste Grundlage, der Vertrauensschutz, entzogen. Viele von uns haben schon grundsätzliche Bedenken, den Schutz der Wohnung und damit den Schutz der Privatsphäre zur Disposition von Strafverfolgungsorganen zu stellen, weil dieser Schutz eben in weiten Teilen Ausfluß der in Art. 1 des GG gewährleisteten Menschenwürde ist. Aber auch diejenigen unter uns, die grundsätzlich bereit sind, bei der Verfolgung eines kleinen Kreises hochgefährlicher schwerer Straftaten, die der Organisierten Kriminalität zuzurechnen sind, das Instrument des Lauschangriffes unter schärfsten Auflagen und Kontrollen als denkbar letztes Mittel begrenzt zuzulassen, können der jetzt gefundenen Lösung nicht zustimmen. Diese Lösung birgt die große Gefahr in sich, daß das Instrument des Lauschangriffes in viel zu großem Umfang und unter allzu leichten Bedingungen zum Einsatz kommen kann. Wichtige Voraussetzungen, an die wir als Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion unsere Bereitschaft zu einer Änderung des Artikels 13 GG gebunden haben, sind nicht erfüllt:

-- ein umfassender Schutz der Gespräche von zeugnisverweigerungsberechtigten Personen ist, wie gezeigt, nicht gewährleistet;

-- unsere Forderung, den Schutz der Gespräche von zeugnisverweigerungsberechtigten Personen "verfassungsfest" auszugestalten, wurde nicht entsprochen;

-- der präventive -- polizeirechtliche Lauschangriff wurde nicht, wie wir es gefordert haben, auf die Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr begrenzt;

-- unserer Forderung, die Zuständigkeit für Einsatz und Kontrolle des Lauschangriffes einem Vorsitzendensenat der Oberlandesgerichte zu übertragen, wurde nicht entsprochen, statt dessen wurde die Zuständigkeit der sogenannten Staatsschutzkammern installiert;

-- eine umfassende richterliche Verlaufskontrolle findet nicht statt -- lediglich eine richterliche Sichtung und Bewertung der aufgezeichneten Gespräche der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen;

-- insbesondere Artikel 13 Abs. 5 GG, also die Lauschangriffe zum Schutz von im Einsatz tätigen Personen, könnte zu einem gefährlichen Einfallstor weitreichender und in großem Umfange verwertbarer Lausch- und Videomaßnahmen führen.

Weil der Nutzen, mit den jetzt zu schaffenden erweiterten Eingriffskompetenzen im Kampf gegen die Köpfe des Organisierten Verbrechens entscheidende Erfolge zu erzielen, äußerst umstritten ist, aber die Gefahr besteht, daß eine Vielzahl völlig unbeteiligter Menschen durch diese Abhörmaßnahmen in Mitleidenschaft gezogen werden, können wir der jetzt vorgesehenen konkreten Verfassungsänderung und der darauf basierenden Folgeänderungen der Strafprozeßordnung nicht zustimmen.


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