des Abgeordneten Dr. Michael Bürsch (SPD)
zur Abstimmung über den Entschließungsantrag
der Fraktionen CDU/CSU, SPD und F.D.P.
auf Drucksache 13/9662 zur dritten Beratung
des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 13 GG) und des Entwurfs
eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität
(Tagesordnungspunkt 14 a und b)
Dr. Michael Bürsch (SPD): Viele reden dieser Tage über den sogenannten Lauschangriff. Aber kaum einer weiß wirklich, was da auf uns zukommt. Es gibt manche wichtige Argumente für die geplante Neuregelung der Wohnungsüberwachung, es gibt auch manche erstzunehmende Skepsis gegen die vorgesehenen Maßnahmen. Befürworter des Lauschangriffs glauben an verbesserte Möglichkeiten der Verbrechensbekämpfung, Gegner befürchten gravierende Grundrechtseinschränkungen. Was wird wirklich passieren?
Bei der Abwägung des Für und Wider würde es helfen, wenn der Gesetzentwurf eine detaillierte Gesetzesfolgenabschätzung enthielte, und zwar nicht nur über den zu erwartenden Kostenaufwand, sondern zum Beispiel auch über die gesellschaftspolitischen, kriminalpolitischen und verfassungsrechtlichen Auswirkungen des Gesetzespakets. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält jedoch keine Angaben über konkrete Gesetzesfolgen, sondern nur die pauschalen Feststellungen:
Erstens. Die Mehrkosten der Wohnraumüberwachung sind nicht bezifferbar.
Zweitens. Eine Reduzierung der gesamtwirtschaftlichen Schäden durch verbesserte Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist nicht quantifizierbar.
Nun mag sein, daß sich über die Gesetzesfolgen momentan gar nicht viel mehr sagen läßt; denn wir betreten zum Teil Neuland bei der Kriminalitätsbekämpfung. In einer solchen Situation hat der Gesetzgeber ein probates Mittel, was allerdings bei uns bisher noch ausgesprochen selten angewandt worden ist: Er kann die gesetzliche Regelung befristen. Durch Befristung besteht der Zwang,
nach einem gewissen Zeitablauf zu prüfen, ob weiterhin Bedarf für die Regelung besteht. Die Entscheidung über die Verlängerung des Gesetzes bietet zugleich die institutionalisierte Möglichkeit der Prüfung, ob das Gesetz im bisherigen Gesetzesvollzug Schwachstellen etc. aufgewiesen hat, die anläßlich der Verlängerungsentscheidung ausgemerzt werden können.
So eine ausdrückliche Empfehlung des Sachverständigenrates Schlanker Staat.
Eine solche Befristung würde nach meiner Einschätzung auch bei dem vorliegenden Gesetzespaket zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität sinnvoll sein. Denn zum jetzigen Zeitpunkt vermag niemand seriös vorherzusagen, ob der erforderliche Aufwand beim Lauschen -- technisch wie gesellschaftspolitisch -- im rechten Verhältnis zum Ertrag bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität stehen wird. Ursprünglich hatte ich deshalb im laufenden Gesetzgebungsverfahren den Antrag gestellt, den Lauschangriff zunächst -- wie etwa in Österreich geschehen -- zeitlich zu befristen und nach einer Erprobungsphase von vier Jahren über das Gesetz erneut zu entscheiden. Dieser Vorschlag fand jedoch keine Mehrheit.
Was als erste Stufe zu einer Befristung betrachtet werden kann, ist die seriöse Evaluation des Gesetzes, das heißt Überprüfung der Maßnahmen zur akustischen Wohnungsüberwachung in verfassungsrechtlicher, kriminalpolitischer und gesellschaftlicher Hinsicht. Darauf haben sich CDU/CSU, F.D.P. und SPD in einem gemeinsamen Entschließungsantrag verständigt, über den heute im Zusammenhang mit dem Gesetzespaket zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität auch entschieden wird. Danach soll die Bundesregierung spätestens zum 31. Januar 2002 einen detaillierten Erfahrungsbericht zu den Wirkungen des sogenannten Lauschangriffs vorlegen. Mit dieser Überprüfung ist ausdrücklich die Verpflichtung verbunden, sichtbar gewordene Mängel im Gesetz und im Gesetzesvollzug zu beseitigen. Spätestens bei dieser Überprüfung ist auch eine Veränderung bei der Regelung über Zeugnisverweigerungsrechte möglich.
Wie die öffentlichen Reaktionen der letzten Tage zeigen, kann kaum jemand außerhalb dieses Parlaments verstehen, daß es bei den Zeugnisverweigerungsrechten ein Zweiklassenrecht geben soll: in Klasse 1 die Priester, Strafverteidiger und Abgeordneten und in Klasse 2 die sonstigen Zeugnisverweigerungsberechtigten wie Ärzte, Rechtsanwälte, Apotheker, Angehörige etc. Was spricht dagegen, beim Lauschangriff alle gleich zu behandeln und gegenüber allen zur Zeugnisverweigerung Berechtigten den Laufschangriff grundsätzlich zu verbieten?
Vor über 100 Jahren hat der damalige Kanzler Otto von Bismarck einmal drastisch gesagt:
Wer weiß, wie bei uns Gesetze und Würste gemacht werden, kann nachts nicht ruhig schlafen.
Bei der Gesetzgebung liegt es ganz in der Hand von uns Abgeordneten, den Bürgerinnen und Bürgern zu mehr Nachtruhe zu verhelfen, indem wir die Qualität unserer Gesetzesarbeit verbessern. Zur Qualität eines Gesetzes sollte auch gehören, daß sein Inhalt sowohl allgemeinverständlich als auch für Nichtjuristen nachvollziehbar ist.
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