Skript zum Verhältnis von Mord und Totschlag

Fall 1

Selbständigkeitstheorie
§ 212 und § 211 sind zwei selbständige Tatbestände. Die Mordmerkmale wirken daher strafbegründend.[1]
  • die Unterscheidung ist bereits im Gesetz angelegt ("Mörder", "Totschläger")
  • Mörder lädt nicht nur mehr Schuld auf sich als ein Totschläger (dann Qualifikation), sondern begeht wegen der im Gesetz aufgeführten Begehungsweisen eine andere Straftat, nämlich einen Mord
  • Systematik des Gesetzes: Qualifikation steht normalerweise hinter dem Grunddelikt!
  • Beihilfe zum Mord, weil er die niedrigen Beweggründe der Haupttäter kennt. Da Rassenhaß ein besonderes persönliches Merkmal ist, wird die Strafe nach §§ 28 I, 49 I gemildert.

Qualifikationstheorie
§ 212 ist der Grundtatbestand, § 211 dessen Qualifikation. Die Mordmerkmale wirken daher strafschärfend.[2]
  • § 211 beschreibt die vorsätzliche Tötung unter erschwerenden, §§ 216 unter priviligierenden Umständen
  • Mord ist Tötung unter Verwirklichung bestimmter Modalitäten, Totschlag Tötung ohne diese Modalitäten, eine Verschiedenartigkeit kann darüber hinaus nicht angenommen werden
  • Die Begriffe "Mörder" und "Totschläger" entstammen der Lehre vom Tätertyp (Schaffung des § 211 in der "heutigen" Fassung durch die Nazis 1941), diese wird heute abgelehnt
  • Rsp. ist widersprüchlich, wenn sie in Fällen "gekreuzter" persönlicher Mordmerkmale dem Teilnehmer die Strafmilderung nach § 28 I versagt; dieses - sachlich richtige - Ergebnis läßt sich nicht aus Abs. 1 sondern nur aus Abs. 2 herleiten
G erfüllt in seiner Person kein besonders persönliches Merkmal des § 211; nach §§ 28 II, 29 kommt nur Beihilfe zum Totschlag in Betracht.


Aufbau eines Mordes nach Rechtsprechung
§ 211
I.  Tatbestand
1.  Objektiver TB
a)  Tod eines Menschen
b)  Mordmerkmale der 2.Guppe
2.  Subjektiver TB
  • Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe
  • II.  RW
    III.  Schuld


    Aufbau eines Mordes nach Literatur
    I.  Vorprüfung (Totschlag)
    1.  Tatbestand
    2.  RW
    3.  Schuld
    II.  Deliktsmerkmale des Mordes
    1.  Tatbestandsmäßigkeit
    a)  objektive Merkmale der 2. Gruppe
    aa)  objektive Verwirklichung einer der genannten Begehungsweisen
    bb)  Vorsatz und sonstige subjektive Erfordernisse bezüglich des jeweiligen Mordmerkmals
    b)  subjektive Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe
    2.  Rechtswidrigkeit
    3.  Schuld


    Fälle 2 und 3

      Täter verwirklicht § 212
    Teilnehmer verwirklicht persönliches Mordmerkmal verwirklicht tatbezogenes Mordmerkmal
    Literatur § 212 (HT) -> § 28 II (+) -> §§ 211, 26/27 § 212 (HT) -> § 28 (-)[3] -> §§ 212, 26/27
    Rechtsprechung § 212 (HT) -> § 28 II (-)[4] -> §§ 212, 26/27 wie Lit.


    Fälle 4 bis 7

      Täter verwirklicht § 211 durch tatbezogenes Mordmerkmal (2. Gruppe) z.B. Grausamkeit
    Teilnehmer weiß nichts von MM beim Täter und hat kein eigenes MM weiß nichts vom MM beim Täter hat aber eigenes persönliches MM (1. oder 3. Gruppe) weiß nichts vom MM beim Täter, hat aber eigenes tatbezogenes MM (2. Gruppe) kennt MM beim Täter, hat aber kein eigenes tatbezogenes MM
    Literatur § 211 (HT) -> Vorsatz zu HT (-) -> §§ 212, 26/27 § 211 (HT) -> Vorsatz zu HT (-) -> §§ 212, 26/27 -> § 28 II (+) -> §§ 211, 26/27 § 211 (HT) -> Vorsatz zu HT (-) -> §§ 212, 26/27 -> § 28[5] (-) -> §§ 212, 26/27 §§ 211, 26/27
    Rechtsprechung § 211 (HT) -> Vorsatz zu HT (-) -> §§ 212, 26/27 -> § 28 I (-)[6] -> §§ 212, 26/27


    Fälle 8 bis 11

      Täter verwirklicht § 211 durch persönliches Mordmerkmal (1. Und 3. Gruppe) z.B. niedrige Beweggründe
    Teilnehmer weiß nichts von MM beim Täter und hat kein eigenes MM nach Lit. unabhängig von Kenntnis des MM beim Täter nach Rsp. nur bei Kenntnis des MM bei Täter, aber kennt MM beim Täter, hat aber kein eigenes tatbezogenes MM
    eigenes persönliches MM (1. oder 3. Gruppe) eigenes tatbezogenes MM (2. Gruppe)
    Literatur § 211 (HT) -> Vorsatz zur HT (-) -> §§ 212, 26/27 -> § 28 II (-)[7] -> §§ 212, 26/27 § 211 (HT) -> § 28 II (+) -> §§ 211, 26/27 § 211 (HT) -> 28 II (+)[8] -> §§ 212, 26/27 § 211 (HT) -> Vorsatz zur HT (+) -> §§ 211, 26/27 -> § 28 II (+) -> §§ 212, 26/27
    Rechtsprechung § 211 (HT) -> Vorsatz zur HT (-) -> §§ 212, 26/27 § 211 (HT) -> § 28 I (+) -> §§ 211, 26/27 -> gilt nur für "gekreuzte" MM § 211 (HT) -> § 28 I (+) -> §§ 212, 26/27, 28 I, 49 I § 211 (HT) -> Vorsatz zur HT (+) -> §§ 211, 26/27 -> § 28 I (+) -> §§ 211, 26/27, 28 I, 49 I
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    1   Ständige Rsp. seit BGHSt 1, 370
    2   praktisch das gesamte Schrifttum
    3   § 28 erfaßt nur besondere persönliche Merkmale!
    4   Mord ist keine Qualifikation des Totschlags!
    5   § 28 erfaßt nur besondere persönliche Merkmale!
    6   § 28 I erfaßt nur besondere persönliche Merkmale, beim Täter liegt aber kein persönliches Merkmal sondern ein tatbezogenes vor!
    7   § 28 II ist zwar einschlägig, ändert das Ergebnis aber nicht.
    8   Persönliches Merkmal liegt nur beim Täter vor, das tatbezogene MM des Teilnehmers wird nicht erfaßt, so daß nur § 212 übrig bleibt.