3. Handlungsabschnitt

A P könnte A nach § 240 I 2. Alt. zum Anhalten genötigt haben.
I. P drohte dem A zwar nicht ausdrücklich; dem Gesamtverhalten - Verfolgung über einige Kilometer - kann aber konkludent das Inaussichtstellen109 weiterer erheblicher Nachteile110 - etwa Querstellen oder Rammen - entnommen werden. Er erreichte hierdurch auch ein Stoppen und Unterlassen der Weiterfahrt.
II. A war jedoch verschiedener Straftaten verdächtig, so daß P nach § 163 b StPO zur Feststellung seiner Identität berechtigt war. Hierzu mußte er ihn zunächst stoppen.
P hat sich darum keiner Nötigung schuldig gemacht.

B P kann sich nach § 239 I der Freiheitsberaubung an A strafbar gemacht haben, als er diesen zwang, ihm ins Krankenhaus zu folgen.
I. 1. Zunächst wird also festzustellen sein, ob P den A seiner Bewegungsfreiheit beraubt hat. Das ist der Fall, wenn dem Opfer die Möglichkeit genommen wird, sich nach seinem Willen fortzubewegen111, etwa indem es zu einer Ortsveränderung gezwungen wird.112
A folgte P "mehr oder minder" freiwillig. Er hätte hierzu aber auch keine echte Alternative gehabt. Die Aufforderung eines Polizeibeamten, ihn zu einer Blutentnahme zu begleiten, ist keine Einladung, der man nachkommen kann oder auch nicht. Im Fall von Widerstand müßte der so Gebetene mit unmittelbarem Zwang rechnen. Gerade diese "konkludente" Drohung hinderte A daran, sich nach seinem Willen fortzubewegen.
2. P wußte und wollte, daß A keine andere Wahl haben würde, als ihm zu folgen.
II. Möglicherweise war P in seiner Handlung jedoch gerechtfertigt.
1. In Frage käme hier zunächst § 127 I StPO. Eine vorläufige Festnahme ist hiernach aber nur zur Identitätsfeststellung oder bei Fluchtgefahr zulässig. Seine Identität hatte A bereits bekanntgegeben und es ist nicht ersichtlich, woraus sich eine Fluchtgefahr ergeben sollte. § 127 I StPO scheidet darum als Rechtfertigungsgrund aus.
2. Für 163 b I StPO gilt das eben gesagte entsprechend.
3. Als weiterer Rechtfertigungsgrund käme § 127 II StPO in Betracht.
Es müßten dann die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorgelegen haben. Diese richten sich nach §§ 112, 112 a, 126 a StPO. Keiner der dort genannten Haftgründe würde auf A zutreffen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß Verdunklungsgefahr bestehen könnte; die bloße Möglichkeit, nicht freiwillig mit zum Arzt zu kommen, rechtfertigt noch keine Festnahme113. § 127 II greift also ebenfalls nicht als Rechtfertigungsgrund.
4. P könnte jedoch nach § 81 a I 2. StPO gerechtfertigt gewesen sein.
a) A stand im Verdacht, stark alkoholisiert Auto gefahren zu sein. Eine Blutprobe war also notwendig, um die BAK feststellen114. Der damit verbundene Eingriff ist absolut ungefährlich und verhältnismäßig115.
b) Um die Untersuchung zu ermöglichen, durfte A festgenommen werden116. Die Gegenauffassung117 verkennt, daß die Eingriffe sonst vom Willen des Beschuldigten abhingen oder kaum noch möglich wären118.
c) Die Blutentnahme sollte auch von einem Arzt durchgeführt werden.
d) Unklar ist aber, ob P die Blutprobe und damit die vorläufige Festnahme überhaupt anordnen durfte. Nach § 81 a II StPO iVm § 152 GVG iVm § 1 Nr. 5 b VO v. 8.12.87119 sind erst Polizeibeamte mit einem Dienstgrad vom Polizeihauptwachtmeister aufwärts zur Anordnung befugt. P war nur Polizeiwachtmeister und folglich nicht befugt, die Blutprobe anzuordnen.
Weitere Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. P handelte folglich rechtswidrig.
III. Möglicherweise unterlag P jedoch einem Irrtum, als er A festnahm.
P "irrte" über seine Befugnis, bei A eine Blutentnahme anzuordnen. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß er als Polizeibeamter über seine Pflichten und Rechte ausreichend informiert war. Er muß gewußt haben, daß er NICHT die Befugnis hatte, A festzunehmen. Daß er sich dennoch über das Recht hinwegsetzte, läßt sich mit seiner Hoffnung auf Beförderung erklären, nicht aber mit einem strafrechtlich relevanten Irrtum.
IV. Weitere Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.
P hat sich wegen Freiheitsberaubung strafbar gemacht.

C Möglicherweise ist P auch wegen Amtsanmaßung nach § 132 1. Alt. strafbar.
I. 1. Dem P war es als Polizeiwachtmeister nicht gestattet, Blutentnahmen anzuordnen, dennoch tat er es. Er gebärdete sich damit als Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft und nahm eine Diensthandlung vor, die er nur als solcher hätte tätigen dürfen120.
2. Es kann davon ausgegangen werden, daß P wußte, daß er die Anordnung nicht treffen durfte und dennoch handelte.
II. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.
P ist nach § 132 1. Alt. zu bestrafen.

D A könnte sich nach § 113 wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte strafbar gemacht haben, als er P einen Urintopf über den Kopf stülpte, um der Blutentnahme zu entgehen.
I. 1. P ist als Polizeibeamter Amtsträger im Sinne des § 11 I 2. a) und zur hoheitlichen Durchsetzung von Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verfügungen im Einzelfall befugt121.
2. Die Widerstandshandlung des P fand anläßlich der Vornahme einer Blutprobe, also einer Diensthandlung, statt.
3. Problematisch ist aber, wie A Widerstand geleistet hat.
a) In Frage käme hier zunächst Gewalt.
Gewalt im Sinne des § 113 ist jede durch tätiges Handeln bewirkte Kraftäußerung gegen den Amtsträger, die geeignet ist, die Vollstreckung zu verhindern oder zu erschweren122.
P stülpte den Topf über den Kopf des P, hierzu war eine Kraftaufwendung nötig. Das Übergießen des Beamten mit Urin konnte A hoffen lassen, daß jener infolge von Ekel sich mehr um sich als um A kümmern würde und so die Vollstreckung leiden würde.
b) Weiter ist zu prüfen, ob außerdem ein tätlicher Angriff auf P vorliegt.
Hierunter ist eine unmittelbar auf das Opfer zielende feindselige Einwirkung zu verstehen123.
A ging mit einem Urintopf auf P los, seine feindselige Einwirkung zielte folglich unmittelbar auf P ab.
4. Er wollte auch, daß P die Vollstreckungshandlung hierdurch erschwert würde und wußte, daß ein Urintopf hierfür ein geeignetes Mittel ist.
II. Es wird weiter zu untersuchen sein, ob die Diensthandlung auch rechtmäßig war. Bei der Beurteilung dieser Frage, sind unterschiedliche Ansätze vertretbar.
1. Zunächst könnte man auf die Grundsätze des öffentlichen Rechts abstellen. Allerdings sind auch hier wieder verschieden Lösungen denkbar.
a) Man könnte die Rechtmäßigkeit davon abhängig machen, ob der Hoheitsakt nichtig ist124. Eine solche Nichtigkeit könnte sich aus einer absoluten sachlichen Unzuständigkeit der erlassenden Behörde ergeben, was einen Fehler im Sinne des § 44 I VwVfG darstellen würde125.
Nach § 81 a StPO dürfen nur Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft (Justizministerium) eine Blutentnahme anordnen. Die "einfache" Polizei (Innenministerium) ist dazu absolut nie zuständig. P war in diesem Fall also absolut unzuständig, der Verwaltungsakt somit nichtig.
b) Ein anderer Lösungsweg wäre auf die vorläufige Vollstreckbarkeit oder Voraussetzungen der Verdachtstatbestände abzustellen126.
Wie gerade gezeigt ist die Anordnung der Blutentnahme nichtig und kann darum auch nicht vollstreckt werden.
2. Ein ganz anderer Ansatz wäre, die Rechtmäßigkeit im Sinne des § 113 nach spezifisch strafrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Sie wäre gegeben, wenn der Amtsträger die Grenzen der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit, der wesentlichen Förmlichkeit und pflichtgemäßen Ermessens einhielte127.
P war, wie bereits geprüft, sachlich nicht zuständig, die Blutentnahme anzuordnen.
3. Sämtliche Lösungsansätze führen zu gleichen Ergebnis: Die Blutentnahme war rechtswidrig.
Nach § 113 III entfällt damit die Strafbarkeit des A nach dieser Vorschrift.

E A könnte weiter wegen Körperverletzung nach § 223 zu bestrafen sein.
I. 1. Zu prüfen ist als erstes, ob A den P körperlich mißhandelte, als er ihm den Urintopf über den Kopf stülpte.
Hierunter ist eine üble, unangemessene Behandlung zu verstehen, die entweder das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt128.
Schwierig erscheint hierbei, ob P KÖRPERLICH mißhandelt wurde. Außer einer Durchnässung von Haar und Kleidung war er nicht weiter betroffen. Ein bloßes Ekelgefühl reicht für die Bejahung des Tatbestandes noch nicht aus129. Nun ist P aber nicht lediglich angespuckt worden, sondern hat einen Urintopf über den Kopf gestülpt bekommen. Hierauf wird ein "normaler" Mensch mit extremen Ekel und Übelkeit reagieren - also durchaus körperliche Reaktionen zeigen. Diese müssen dann aber für die Bejahung einer üblen, unangemessen körperlichen Mißhandlung ausreichen130.
2. Ein pathologischer Zustand ist hierdurch aber nicht hervorgerufen worden.
3. A nahm die gesundheitlichen Auswirkungen zumindest in Kauf und handelte darum vorsätzlich.
II. Möglicherweise war A aber wegen Vorliegens einer Notwehrsituation nach § 32 I gerechtfertigt.
1. Indem P den A widerrechtlich131 festhielt und eine Blutentnahme anordnete, verletzte er rechtlich geschützte Güter des A132 - namentlich die Freiheit und die körperliche Unversehrtheit.
2. A war bereits gezwungen, eine Freiheitsberaubung hinzunehmen, und eine Körperverletzung stand unmittelbar bevor133.
3. As "Maßnahme" war auch geeignet, ihn wieder freikommen zu lassen und das relativ mildeste Mittel134.
4. A durfte also objektiv betrachtet Notwehr üben. Nun glaubte er aber, P sei es gestattet, ihn festzuhalten und die Blutprobe anzuordnen. Dieser "negative Erlaubnistatbestandsirrtum" läßt sich auf verschiedenen Wegen lösen. Das Ergebnis hängt zunächst einmal von dem Unrechtsverständnis ab.
a) Geht man davon aus, Unrecht erschöpfe sich in Handlungsunrecht135, so bliebe das Vorliegen einer objektiven Rechtfertigungslage unerheblich. A setzte durch sein Handeln Unrecht in die Welt, nur der Wille, fremdes Unrecht abzuwenden, hätte hieran etwas ändern können136. Der Weg zu einer Vollendungsstrafbarkeit wäre damit eröffnet.
b) Ist man sich dagegen einig, daß sich Unrecht aus Handlungs- und Erfolgsunwert zusammensetzt137, bleiben immer noch verschiedene Lösungsmöglichkeiten des Problems:
aa) Zunächst ließe sich vertreten, ein subjektives Rechtfertigungselement sei nicht erforderlich138.
Demzufolge wäre A gerechtfertigt und nicht strafbar.
bb) Erkennt man die Notwendigkeit eines subjektiven Notwehrelementes an, so könnte man fordern, nur das Zusammentreffen von objektiven und subjektiven Merkmalen lasse eine Tat rechtfertigen. Bei eingetretenem tatbestandlichem Erfolg müßte dann wegen Vorsatzdeliktes bestraft werden139.
Der Wissensmangel von A würde hiernach den Weg zur Vollendungsstrafbarkeit eröffnen.
cc) Als letzter Lösungsansatz bliebe eine Strafbarkeit nach Versuchsregeln, wobei diese entweder analog140 oder direkt141 angewendet werden könnten.
A hätte hiernach zwar rechtswidrig gehandelt, wäre aber nur wegen Versuchs zu bestrafen. Dieser ist bei der einfachen Körperverletzung aber nicht unter Strafe gestellt, so daß hiernach eine Strafbarkeit entfiele.
dd) Zunächst wird also zu untersuchen sein, inwieweit die unterschiedlichen Ansätze zwingend oder mit dem Gesetz vereinbar sind.
Für den ersten Lösungsweg mag zunächst einmal der Wortlaut sprechen. Ebenso wie "Angriff" ist auch "Verteidigung" rein objektiv zu bestimmen142. Gegen dieses Verständnis spricht aber der Vergleich mit der Versuchsstrafbarkeit. Der Gesetzgeber hat hierin deutlich gemacht, daß es auf die Vorstellung des Täters ankommen muß143. Außerdem vermag erst der Wille, Unrecht abzuwehren, den eigene Handlungsunwert zu kompensieren144.
Fordert man dagegen ein Handeln in Kenntnis der Rechtfertigungslage, so muß zunächst zugestanden werden, daß bei ihrem Fehlen die Tat rechtswidrig ist. Daraus ergibt sich aber nur, daß § 32 als Rechtfertigungsgrund ausscheidet. Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, daß wegen vollendeten Delikts zu bestrafen wäre145. Vergleicht man das hierdurch geschaffene Unrecht, so ist dies dem Versuch näher als dem vollendeten Delikt. Eine analoge Anwendung der Versuchsregeln erschiene darum ratsam146.
Diese Ansätze verkennen aber, daß die Rechtswidrigkeit ein positives Deliktserfordernis ist147. Wie beim Tatbestand müssen also für ein Vollendungsdelikt die subjektiven wie negativen Merkmale der Rechtfertigung erfüllt sein148. Fehlt, wie hier, das subjektive Rechtfertigungselement, so kommt nur eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht. Die überzeugenderen Argumente sprechen also für eine direkte Anwendung der Versuchsbestimmungen.
c) Damit ist die Frage nach dem Unrechtsbegriff aber noch nicht beantwortet. Sicher muß man zugestehen, daß der Eintritt eines Erfolges oft rein zufällig ist149 und nur Handlungen, nicht aber Erfolge Gegenstand eines Verbotes sein können150.
Gegen diesen Ansatz sprechen zunächst einmal kriminalpolitische Aspekte, so ist die Störung des Rechtsfriedens wesentlich geringer, wenn kein Erfolg eingetreten ist151. Auch das geltende Recht geht einen anderen Weg: der Erfolg wird regelmäßig zur Erhöhung des Strafrahmens benutzt und erfolgsqualifizierte Delikte zeigen die Bedeutung des Taterfolges152. Außerdem würde eine konsequente Durchführung auf eine Gesinnungsstrafbarkeit hinauslaufen153.
Unrecht setzt sich zusammen aus Handlungs- und Erfolgsunwert. Fehlt das Wissen um die Rechtfertigungslage, ist wegen Versuchs zu bestrafen. Der Versuch einer Körperverletzung ist allerdings straffrei, weil es sich weder um ein Verbrechen handelt, noch eine Versuchsstrafbarkeit gesetzlich vorgeschrieben ist.
A hat sich nicht einer Körperverletzung schuldig gemacht.

F A könnte allerdings nach § 223 a154 strafbar sein.
Er hat den P allerdings weder hinterlistig überfallen noch könnte Urin als gefährliches Werkzeug gesehen werden.

G A kann auch nach § 185 wegen einer tätlichen Beleidigung zu bestrafen sein.
Nach der hier vertretenen Auffassung kommt wegen der objektiv gegebenen Notwehrlage nur eine Bestrafung wegen Versuchs in Frage. Die Beleidigung ist Vergehen und damit mangels weiterer Bestimmung des Gesetzes der Versuch straffrei.

H Weiter kann A wegen Sachbeschädigung an der Uniform des P nach § 303 I 1. Alt. zu bestrafen sein.
I. 1. Er müßte hierzu eine fremde Sache beschädigt haben.
a) Die Uniform gehörte dem P - bzw. dessen Dienstherren - und war somit für A fremd.
b) Beschädigt ist eine Sache, wenn sie aufgrund der Einwirkung in ihrer bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht unerheblich gemindert ist155.
Bekanntermaßen geht von Urin eine unangenehme geruchliche Belästigung aus. P war also gezwungen, seine Uniform alsbald reinigen zu lassen. Während dieser Zeit konnte er sie nicht benutzen, sie war also in ihrer Brauchbarkeit erheblich gemindert156.
2. A nahm zumindest billigend in Kauf, daß die Uniform vorübergehend unbrauchbar wurde.
II. Wegen der objektiv vorliegenden Notwehrlage ist A nur wegen versuchter Sachbeschädigung nach §§ 303 II, 22, 23 I zu bestrafen. Die Strafbarkeit hängt allerdings nach § 303c vom Strafantrag ab.

I O kann sich einer Körperverletzung nach § 223 schuldig gemacht haben, als er A gegen dessen Willen eine Blutprobe entnahm.
I. 1. O stach den A mit der Kanüle einer Spritze. Hierbei ging es nicht um einen ärztlichen Heileingriff157, er beeinträchtigte damit das körperliche Wohlbefinden des A in nicht unerheblicher Weise.
2. O wußte, daß er hierbei tatbestandlich eine Körperverletzung begehen würde und wollte dies auch.
II. Er nahm jedoch fälschlich158 an, nach § 81 a StPO hierzu berechtigt zu sein und handelte folglich ohne Unrechtsbewußtsein. Welche Auswirkungen das auf seine Strafbarkeit hat, hängt zunächst einmal von der dogmatischen Einordnung des Unrechtsbewußtsein ab.
1. Sieht man hierin einen Teil des Vorsatzes159, so entfiele bei O die Vorsatzstrafbarkeit und er wäre gegebenenfalls wegen Fahrlässigkeitsdelikts zu bestrafen.
2. Betrachtet man dagegen das Unrechtsbewußtsein als eigenes Schuldelement, so bleibt die Vorsatzstrafbarkeit zunächst unberührt.
a) Hieraus könnte nun gefolgert werden, es liege ein Verbotsirrtum vor, der nach § 17 zu behandeln wäre160. Für O wäre hiernach der Weg zu einer Vollendungsstrafbarkeit eröffnet. Die Strafe könnte lediglich nach § 49 I gemildert werden.
b) Dagegen könnte man annehmen, der Irrtum über das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes sei vergleichbar mit dem Irrtum über ein Tatbestandsmerkmal. Wie bei diesem entfalle der Vorsatz und der Irrtum sei nach § 16 I zu behandeln161. O wäre demnach nicht wegen Vorsatzdeliktes zu bestrafen, wobei ein Fahrlässigkeitsdelikt möglich wäre.
c) Hiergegen könnte eingewendet werden, nicht der Vorsatz entfalle, sondern der Tat fehle nur der Schuldgehalt einer Vorsatztat. § 16 würde dann nicht angewendet werden. Dem Irrtum wäre dann aber insofern Rechnung zu tragen, als die Rechtsfolgen dem § 16 zu entnehmen wäre162, was bei O eine Vorsatzstrafe ausschlösse, eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit aber offen ließe.
d) Bis auf den ersten Ansatz kommen die Lösungswege, die das Unrechtsbewußtsein als Schuldelement betrachten, zur gleichen Rechtsfolge. Für diesen ersten Ansatz mag sprechen, daß der Täter, der irrig einen Rechtfertigungsgrund annimmt, vorsätzlich das Delikt verwirklicht, also nicht in Tatbestandsunkenntnis sondern im Verbotsirrtum handelt163. Hierbei wird allerdings verkannt, daß der so Irrende die Rechtsordnung genau kennt und ähnlich wie bei § 16 über einen Umstand irrt, an den die Rechtswidrigkeit anknüpft164.
3. Ein anderer Lösungsansatz wäre, das Unrechtsbewußtsein als Bestandteil eines Gesamtunrechtstatbestandes zu betrachten, der die "klassischen" Tatbestandsmerkmale sowie die Rechtfertigungsgründe beinhaltet165. Os Irrtum über einen Rechtfertigungsgrund würde also den ganzen Tatbestand betreffen und somit zu einer direkten Anwendung des § 16 führen, im Ergebnis also auf die Verneinung des Vorsatzdeliktes und die Möglichkeit eines Fahrlässigkeitsdelikts hinauslaufen.
4. Die hier vorgestellten Lösungsmöglichkeiten führen alle zu einer Verneinung des § 223 und die Möglichkeit einer Strafbarkeit nach § 230. Eine Entscheidung ist daher nicht notwendig.
O ist nicht wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu bestrafen.

J Es wird also nun zu prüfen sein, ob O sich wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 230 strafbar gemacht hat.
I. 1. Daß O den Tatbestand der Körperverletzung verwirklicht hat, ist bereits unter I I. 1.166 positiv beantwortet worden.
2. Von einem besonnen und gewissenhaften Menschen in der sozialen Rolle des O167 hätte erwartet werden können, daß er sich nicht von jedem Uniformträger Anordnungen erteilen läßt.
3. Er hätte auch vorhersehen können168, daß Unachtsamkeit bei der Prüfung von Anordnungen zu ungerechtfertigten Eingriffen führen könnte.
4. Hätte O pflichtgemäß die Befugnis des P geprüft, wäre die Körperverletzung des A vermieden worden169
II. Eine Strafbarkeit steht hier auch kein Rechtfertigungsgrund entgegen.
III. Dem O ist die Tat auch subjektiv vorwerfbar, er war nach seinen persönlichen Fähigkeiten und individuellem Können in der Lage zu erkennen, daß P keine Blutentnahme anordnen durfte170.
O ist wegen fahrlässiger Körperverletzung im Sinne des § 230 zu bestrafen. Die Tat wird nach § 232 I nur auf Antrag verfolgt.

K P kann außerdem aus § 340 I, 25 I 2. Alt. wegen Körperverletzung im Amt in mittelbarer Täterschaft zu bestrafen sein, weil er O zu einer Blutentnahme bei A veranlaßte.
I. 1. P ordnete während seiner Dienstzeit in seiner Eigenschaft als Polizist die Blutentnahme an171.
2. P hat die Körperverletzung nicht selbst begangen, möglicherweise aber durch O172 in mittelbarer Täterschaft173.
Er erregte durch Täuschung über seine Anordnungsbefugnis bei O einen Erlaubnistatbestandsirrtum174. P wollte dabei die Körperverletzung als eigene175 und hatte die volle Kontrolle über das Geschehen176. Ihm ist darum die Körperverletzung des O zurechenbar.
3. P wußte und wollte, daß O bei A die Blutentnahme aufgrund seiner Anordnung durchführen würde.
II. Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft
P hat sich einer Körperverletzung im Amt schuldig gemacht.

Ergebnisse 3. Handlungsabschnitt
A hat sich nach §§ 303 II, 22, 23 I strafbar gemacht.
P hat sich nach den §§ 239 I; 132 1. Alt.; 340 I, 25 I 2. Alt. strafbar gemacht.
Sämtliche Tatbestände haben ihren Anfangspunkt in der nicht gerechtfertigten Anordnung der Blutentnahme. Es liegt also nur eine Handlung und damit Handlungseinheit nach § 52 I vor.
O hat sich nach § 230 strafbar gemacht.

Endergebnis

Gesamtstrafbarkeit des A: §§ § 246 I; 267 I. 1. Var in Tateinheit mit 3. Var.; 253 I 2. Alt in Tateinheit mit 255, 253 I, 22, 23 I, § 316 II; 303 II, 22, 23 I
Gesamtstrafbarkeit des P: §§ 239 I; 132 1. Alt.; 340 I, 25 I 2. Alt. in Tateinheit
Gesamtstrafbarkeit des O: § 230


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109 vergliche hierzu: Lackner, § 240 Rdn. 12; D-T, § 240 Rdn. 15
110 vergleiche hierzu: Lackner, § 132 Rdn. 13; D-T, § 132 Rdn. 17
111 D-T, § 239 Rdn. 2; Lackner, § 239 Rdn. 2; S-S-Eser, § 239 Rdn. 4; BGHSt 32, 183 (189); Wessels, BT/1 Rdn. 355
112 RGSt 61, 239 (241); LG Mainz, MDR 83, 1044
113 K-M, § 112 Rdn. 29; Kleinknecht, NJW 64, 2182 (2186); allgmein auch: KK-Boujong, § 112 Rdn. 26
114 siehe für die Notwendigkeit: LR-Dahs, § 81 a Rdn. 24; K-M, § 81 a Rdn. 6
115 K-M, § 81 a Rdn. 5 u. 17, 18; KMR, § 81 a Rdn. 7, 25 u. 26
116 vergl. hierzu: BayObLG, NJW 63, 772; LR-Dahs, § 81 a Rdn. 59; K-M, § 81 a, Rdn. 24 u. 29; KK-Pelchen, § 81 a Rdn. 10; KMR, § 81 a Rdn. 42; beim vorliegen des Verdachts auf §§ 315 a, 316 auch Geerds, GA 65, 321 (330)
117 Benfer, NJW 80, 1611; Naucke, SchlHA 63, 183 (186)
118 Kleinknecht, NJW 64, 2181 (2183)
119 hessisches GVBl 1987 S. 206
120 bezüglich der Tatbestandsmerkmale: Lackner, § 132 Rdn. 2; D-T, § 132 Rdn. 2; SK-Rudolphi, § 132 Rdn. 5 u. 7; BGHSt 3, 241 (243)
121 siehe in insofern: D-T § 113 Rdn. 2
122 LK-v. Bubnoff, § 113 Rdn. 14; D-T, § 113 Rdn. 19; BGHSt 18, 133 (134)
123 LK-v. Bubnoff, § 113 Rdn. 17; Lackner, § 113 Rdn. 6; RGSt 59, 264 (265)
124 Krey, BT/1 Rdn. 511; Wagner, JuS 75, 224 (227); Meyer, NJW 72, 1845 (1847)
125 BVerfG, DÖV 72, 173; BayObLG, NVwZ 84, 399; SBS-Sachs, § 44 Rdn. 55; Kopp, § 44 Rdn. 11; Maurer, AV § 10 Rdn. 32
126 Roxin, Pfeiffer-FS, S. 45 (50 f); Schünemann, JA 72, 633 (710); Schünemann, GA 85, 341 (367); Backes-Ransiek, JuS 89, 624 (628)
127 BGHSt 4, 161 (164); 21, 334 (363); Wessels, BT/1 Rdn. 628; Blei, BT/2 § 102 III 2. (S. 398); Maurach, BT/2 § 69 Rdn. 10
128 BGHSt 14, 269 (271); D-T, § 223 Rdn. 3; Wessels, BT/1 Rdn. 247
129 OLG Zweibrücken, NStZ 90, 541; D-T, § 223 Rdn. 4; LK-Hirsch, § 223 Rdn. 8; Maurach, BT/1, § 9 Rdn. 4
130 vrgl. RG, GA Bd. 49, 274; GA Bd. 58, 184 (185); unter Hinweis auf Übelkeit auch: OLG Zweibrücken, NStZ 90, 541; S-S-Eser, § 223 Rdn. 4; SK-Horn, § 223 Rdn. 4; Arzt-Weber, LH 1 Rdn. 267; Krey, BT/1 Rdn. 190; Haft, BT § 223 II. 2. (S. 116)
131 siehe unter D II. 3. (Seite 19)
132 siehe hierzu: Wessels, AT Rdn. 325; Lackner, § 32 Rdn. 2; D-T, § 32 Rdn. 4
133 siehe zur Gegenwärtigkeit: Wessels, AT Rdn. 326; D-T, § 32 Rdn. 9; BGH, NJW 73, 255
134 siehe hierzu: Wessels, AT Rdn. 335; Lackner, § 32 Rdn. 9
135 Zielinski, Unrechtsbegriff S. 262; Schmidhäuser, AT 6/24; Lüderssen, ZStW 85, 289 (292); Kaufmann, Welzel-FS S. 393 (411)
136 siehe insofern: Zielinski, Unrechtsbegriff S. 264
137 Wessels, AT Rdn. 15, 115; Haft, AT 3. Teil § 4 2. (S. 45); Roxin, AT/1 § 17 Rdn. 8; Jescheck, AT § 24 III 1 (S. 190); Lackner, Vor § 13 Rdn. 20; S-S-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff Rdn. 52,
138 heute scheinbar nur noch: LK-Spendel § 32 Rdn. 138; Rohrer, JA 86, 363 (364)
139 BGHSt 2, 111 (116); LK-Hirsch, Vor § 32 Rdn. 59; D-T, § 32 Rdn. 14; Gallas, Bockelmann-FS S. 155 (177); Maurach, NJW 62, 767 (773); Schmitt, JuS 63, 64 (65)
140 S-S-Lenckner, Vorbem §§ 32 ff Rdn. 15; Wessels, AT Rdn. 278; Jescheck, AT § 31 IV 2 (S. 196); Maurach, AT/1 § 25 Rdn. 34; Strathenwerth, AT Rdn. 493; Amelung, JR 85, 474 (477)
141 Staffstein, MDR 51, 196 (199); Schünemann, GA 85, 341 (373); Herzberg, JA 86, 190 ff; Prittwitz, Jura 84, 74 (76); Roxin, AT/1 § 14 Rdn. 101
142 LK-Spendel, § 32 Rdn. 138; Schmitt, Jus 63, 64 (65); anders: Gallas, Bockelmann-FS S. 155 (176)
143 Herzberg, JA 86, 190 (200); Roxin, AT/1 § 14 Rdn. 93
144 Gallas, Bockelmann-FS S. 155 (177); Zielinski, Unrechtsbegriff S. 264
145 Herzberg, JA 86, 190 (191)
146 S-S-Lenckner, Vorbem §§ 32 ff Rdn. 15; Jesckeck, AT § 31 IV 2. (S. 296); Maurach, AT/1 § 25 Rdn. 34; Wessels, AT Rdn. 278
147 Herzberg, JA 86, 190 (192); LK-Hirsch, Vorbem § 32 Rdn. 6!!
148 Herzberg, JA 86, 190 (192)
149 Zielinski, Unrechtsbegriff S. 130, 152
150 Prittwitz, Jura 84, 74 (78)
151 Roxin, AT/1 § 10 Rdn. 97; ...
152 Maurach, AT/1 § 17 Rdn. 4
153 Roxin, AT/1 § 10 Rdn. 99
154 der Versuch ist hier nach §§ 223 a II, 22, 23 I strafbar
155 S-S-Stree, § 303 Rdn. 8b; Lackner, § 3-5; D-T, § 303 Rdn. 5; BGHSt 13, 207 (208); BGH, NStZ 82, 508 (509)
156 vergleiche: RG, HRR 36, Nr. 853; OLG Frankfurt, NJW 87, 389 (390); Stree, JuS 88, 187 (188)
157 dieser wäre dann umstritten; siehe statt aller: S-S-Eser § 223 Rdn. 28 ff
158 vergleiche unter D II. 3. (Seite 19)
159 Langer, GA 76, 193 (211 ff.); Otto, Grundkurs AT § 15 II 2 a bb (S. 208); Schmidhäuser, AT 7/89
160 LK-Schröder, § 17 Rdn. 9; LK-Hirsch, Vorbem § 32 Rdn. 127; Welzel, § 22 III 1 f (S. 168)
161 BGHSt 3, 105 (106); 3, 194 (196); BGH, NStZ 83, 500; S-S-Cramer § 16 Rdn. 16; Stratenwerth, AT § 9 Rdn. 503; Roxin, AT/1 § 14 Rdn. 68
162 Bockelmann-Volk, AT § 16 C II 6 d (S. 126); D-T, § 16 Rdn. 27; Jescheck, AT § 41 III 2 d (S. 418); Maurach, AT/1 § 37 Rdn 43; Wessels, AT Rdn. 484
163 Welzel, § 22 III 1 f (S. 168)
164 BGHSt 3, 105 (107); Roxin, AT/1 § 14 Rdn. 64; Jescheck, AT § 41 III 2 d (S. 418)
165 SK-Samson, Vorbem § 32 Rdn. 9
166 siehe Seite 23
167 bezüglich der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung: Wessels, AT Rdn. 669; Jescheck, AT § 55 I 2 b (S. 522); BGHSt 7, 307 (309); BGH, NStZ 91, 30 (31)
168 bezüglich der objektiven Vorhersehbarkeit: D-T, § 222 Rdn. 15; Lackner, § 15 Rdn. 46; Maurach, AT/2 § 43 Rdn. 112
169 bezüglich des objektiven Zurechnungszusammenhangs: S-S-Cramer, § 15 Rdn 163; Lackner, § 15 Rdn. 41
170 bezüglich der subjektiven Sorfaltspflichtverletzung: Lackner, § 15 Rdn. 49; S-S-Cramer, § 15 Rdn. 190; Wessels, AT Rdn. 692;
171 bezüglich dieser Voraussetzungen: Lackner, § 340 Rdn. 340 Rdn. 2; S-S-Cramer, § 340 Rdn. 3; D-T, Rdn. 340 Rdn. 2; bezüglich der Amtsträgerschaft: D I. 1. (Seite 17)
172 bezüglich seines Handelns vergleiche: I (Seite 23)
173 vergleiche bezüglich der mittelbaren Täterschaft: SK-Horn, § 340 Rdn. 3; LK-Hirsch, § 340 Rdn. 8; RGSt 66, 59 (61) und bezüglich des Anordnens: S-S-Cramer, § 340 Rdn. 4
174 vergleiche: S-S-Cramer, § 25 Rdn. 17; D-T, § 340 Rdn. 3
175 bezüglich dieser subjektiven Theorie: RGSt 66, 236 (240); BGHSt 6, 226 (228); 18, 87 (90)
176 bezüglich dieser Tatherschaftstheorie: Wessels, AT Rdn. 518; Jescheck, AT § 62 (S. 601); Herzberg, Täterschaft S. 7