Probleme bei den "sonstige Freiheitsdelikte"

Rechtsgut der Freiheitsberaubung

§ 239 schützt die potentielle persönliche Fortbewegungsfreiheit, also die Möglichkeit des Ortswechsels. Tatopfer kann daher auch sein, wer von seiner Einschließung nichts merkt oder gar nicht den Willen hatte, zu dieser Zeit den Raum zu verlassen. Wer den natürlichen Willen, seinen Aufenthalt zu verändern, nicht haben kann, scheidet als Opfer aus, z.B. Schlafende, sinnlos Betrunkene während der Dauer ihres Ausnahmezustandes.
Die Tathandlung besteht darin, daß ein Mensch ohne seinen Willen des Gebrauchs der persönlichen Freiheit beraubt wird. Tatbestandsmäßig ist ein Verhalten, wenn es auf irgendeine Weise die zunächst vorhandene Fähigkeit eines Menschen beseitigt, sich nach seinem Willen fortzubewegen, ihn also hindert, den gegenwärtigen Aufenthaltsort zu verlassen.

Besondere Gefahren bei der Geiselnahme

Der Tatbestand der Geiselnahme erfaßt Vorgänge, die regelmäßig eine besonders erhöhte Gefahr für das Leben der Menschen mit sich bringen, die sich in fremder Hand befinden. Eine tatbestandsspezifische Gefahr dieser Art kann auch daraus erwachsen, daß die vom Täter geschaffene Zwangslage Dritte dazu veranlaßt, risikoreiche Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Infolgedessen ist § 239b II iVm § 239a III nicht nur dann anwendbar, wenn der Vorgang des "Sichbemächtigens" oder die damit für die Geiseln geschaffene Lage (z.B. lebensgefährliche Unterbringung, unzureichende Ernährung oder Versorgung) zum Tode des Opfers führt. Die Qualifizierung greift vielmehr auch ein, wenn der Tod der Geisel als Folge einer Befreiungsaktion eintritt, die von ihr selbst, dem Erpressungsopfer oder Dritten, namentlich der Polizei unternommen wird, um die Geiselnahme zu beenden.

Zweierbeziehungen bei §§ 239a, 239b1

Das StRÄndG vom 9.6.1989 hat den Schutz vor Erpressung und Nötigung in den §§ 239a, 239b auch auf das Opfer selbst erstreckt. Dadurch sind bei "Zweierbeziehungen" im Verhältnis zu §§ 253, 255 und zu §§ 177, 178 Überschneidungen mit Konkurrenzproblemen entstanden, die der Gesetzgeber nicht beachtet hat.
Die Rechtsprechung des BGH hat zur Lösung dieses Problems zunächst geschwankt. Diskutiert wurden eine Außenwirkung oder eine besondere Zwangslage aus Sicht des Opfers. Diese Ansätze sind vom Großen Senat allerdings verworfen worden. Der BGH stellt nun auf eine "funktionalen Zusammenhang" ab und führt aus:
"Die Anwendung des § 239b Abs. I erster Halbsatz auf Sachverhalte der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Diese Vorschrift beschreibt ein sog. unvollkommenes zweiaktiges Delikt. Dabei muß zwischen dem ersten, objektiv verwirklichten Teilakt des Entführens oder des Sicht-Bemächtigens und dem zweiten, in die Vorstellung des Täters verlagerten Teilakt der angestrebten weitergehenden Nötigung ein funktionaler Zusammenhang bestehen. Der Täter muß beabsichtigen, die durch die Entführung oder das Sich-Bemächtigen für das Opfer geschaffene Lage zur qualifizierten Drohung auszunutzen und durch sie zu nötigen."
"Dient die qualifizierte Drohung wie das Vorhalten einer Schußwaffe zugleich dazu, sich des Opfers zu bemächtigen und es in unmittelbaren Zusammenhang zu weitergehenden Handlungen oder Duldungen, wie etwa zur Duldung von sexuellen Handlungen zu nötigen, wird die abgenötigte Handlung in der Regel ausschließlich durch die Bedrohung mit der Waffe durchgesetzt, ohne daß der Bemächtigungssituation die in § 239b voausgesetzte eigenständige Bedeutung zukommt."

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1    Vgl. hierzu: BGHSt GS 40, 350 (358), Lackner/Kühl, § 239, Rdn. 4.