Mordlust ist die Tötung aus unnatürlicher Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens. In der Tat kommt eine prinzipielle, vom individuellen Täter gelöste Mißachtung fremden Lebens zum Ausdruck.
Töten zur Befriedigung des Geschlechtstriebs ist unzweifelhaft dann anzunehmen, wenn sich der Täter durch den Tötungsakt als solche sexuelle Befriedigung verschaffen will; um sich in nekrophiler Weise an der Leiche zu vergehen oder wo der Tod des Opfers als Folge der Vergewaltigung zumindest billigend in Kauf genommen wird.
Töten aus Habgier setzt zunächst voraus, daß sich das Vermögen des Täters - objektiv oder zumindest in seiner Vorstellung - durch den Tod des Opfers unmittelbar vermehrt oder durch die Tat jedenfalls eine sonst nicht vorhandene Aussicht auf eine unmittelbare Vermögensmehrung entsteht. Darüber hinaus ist ein Gewinnstreben "um jeden Preis" zu fordern - nämlich eine "Steigerung des Erwerbssinns auf ein ungewöhnliches, ungesundes, sittlich anstößiges Maß". Es kommt hierbei nicht darauf an, ob eine Vermögensmehrung oder eine Besitzerhaltung erstrebt wird (str.). Ebenfalls unerheblich ist, ob nur ein geringer Vermögensvorteil erstrebt wird.
Niedrig ist ein Beweggrund, der "nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verwerflich, ja verächtlich ist". Dabei ist die Niedrigkeit des Beweggrundes nach den Gesamtumständen der Tat zu beurteilen, wobei dem Mißverhältnis zwischen Tatanlaß und Zweck wie auch der Art und Verschuldetheit der eigenen Situation wesentliche - aber nicht allein entscheidende - Bedeutung zukommt.
Heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers
bewußt zur Tötung ausnutzt.
Arglos ist, wer sich im Zeitpunkt der Tat keines tätlichen
Angriffs auf seine körperliche Unversehrtheit oder sein Leben
versieht. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit zum Argwohn. Sie
fehlt Kleinkindern und Besinnungslosen.
Wehrlos ist, wer infolge seiner Arglosigkeit zur
Verteidigung außerstande oder in seiner Verteidigung stark
eingeschränkt ist.
Arg- und Wehrlosigkeit müssen ferner in
tückisch-verschlagener Weise zur Tötung ausgenutzt werden.
Diese Fallgruppe ist besonders "klausurverdächtig",
lassen sich hier doch schön die unterschiedlichen
Auslegungsmöglichkeiten zu §§ 211, 212 prüfen. Häufig handelt
es sich dabei um Fallkonstellationen, in denen "ein
Schwacher, einen Starken" nur aus dem Hinterhalt
umbringen kann, weil er Gefahr liefe selber getötet zu werden,
würde er ihm offen entgegentreten.
Grausam tötet, wer dem Opfer Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke oder Dauer über das für die Tötung als solche erforderliche Maß hinausgeht. Weiter ist notwendig, daß der Täter aus einer gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung heraus handelt.
Gemeingefährlich sind solche Tatmittel, deren Wirksamkeit der Täter im Einzelfall nicht sicher zu beherrschen vermag und deren Einsatz geeignet ist, eine größere Zahl von Menschen an Leib und Leben zu gefährden, also eine allgemeine Gefahr entstehen zu lassen. Diese Qualifikation hat ihren Grund in der besonderen Rücksichtslosigkeit des Täters, der seine Ziele durch die Schaffung unberechenbarer Gefahren für andere durchzusetzen sucht.
Strafbarkeit des S nach § 212, 211 | |
I. | § 212 (+) |
II. |
§ 211 Verdeckung einer Straftat
T könnte außerdem das Mordmerkmal der Verdeckung einer Straftat im Sinne von § 211 II verwirklicht haben. Die besondere Verderblichkeit der Tat würde sich dann daraus ergeben, daß ein Menschenleben, sei es als Opfer der zu verdeckenden Tat, als Tatzeuge oder als Verfolger vernichtet wird, um die eigene oder auch eine fremde Bestrafung zu vereiteln.1 T hat den O getötet, um zu verhindern, daß sein eigener Diebstahl aufgedeckt wurde. Er hat damit zur Verdeckung einer Straftat getötet. Als Problem könnte man allerdings ansehen, daß der O überhaupt nichts von der Tat wußte. Für die Verdeckungsabsicht im Rahmen des § 211 reicht es aber aus, daß der Täter die Vorstellung hat, eine Straftat zu verdecken.2 Weiter problematisch erscheint, daß beim Mord der Versuch des Täters sich der Strafverfolgung zu entziehen strafschärfend wirkt, während er sonst eher strafmildernden Charakter hat - vergleiche etwa §§ 257, 258. Die Situation beim Mord ist allerdings auch eine andere. Im Bereich der §§ 257, 258 versucht der Täter sich verständlicherweise der Strafverfolgung zu entziehen, ohne, daß weitere Schäden entstehen. Beim Mord in Verdeckungsabsicht wird dagegen über die Vortat hinaus, neues, schlimmeres Unrecht in die Welt gesetzt. T hat das Mordmerkmal der "Verdeckung einer Straftat" verwirklicht. |
Straftaten im Sinne des § 211 sind nur kriminelle strafbare Handlungen im Sinne von § 11 I Nr. 5, bloße Ordnungswidrigkeiten scheiden dagegen aus.3 In der Regel wird in diesen Fällen aber ein sonstiger niedriger Beweggrund vorliegen.
I. | § 212 (+) | |
II. |
§ 211 II Verdeckung einer Straftat
Es erscheint hier jedoch problematisch, ob es sich bei der Tötung nach der versuchten Vergewaltigung wegen der Nähe um eine andere Straftat im Sinne des § 211 handelt. |
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1. |
Man könnte versuchen, die Verdeckungsabsicht auf solche
Fälle zu beschränken, in denen die Mordtat im Voraus geplant
war.4
T hatte die Tötung der O nicht geplant, Verdeckungsabsicht müßte dementsprechend ausscheiden. Die erste Meinung führt zu dem Ergebnis, daß die Bestrafung praktisch von der Geständnisfreudigkeit des Täters abhängt.5 Sie ist daher abzulehnen. |
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2. |
Eine weiter Möglichkeit wäre es, Verdeckungsabsicht in den
Fällen ausscheiden zu lassen, in denen der Täter bei einem
Delikt gegen Leib und Leben spontan zu einer Tötung
übergeht.6
T hat den Entschluß die O zu töten spontan gefaßt, auch nach dieser Ansicht, wäre das Mordmerkmal nicht gegeben. Auch bei anderen Mordmerkmalen - insbesondere bei der Tötung aus niedrigen Beweggründen - spielt die plötzliche Entschlußfassung keine Rolle.7 |
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3. |
Wäre die Verdeckungsabsicht nicht gesondert in § 211
aufgeführt, wäre sie Fall des "niedrigen
Beweggrundes". Hieraus könnte man ableiten, das
Mordmerkmal sei dann nicht erfüllt, wenn die Tat
ausnahmsweise nicht die Kriterien des niedrigen Beweggrundes
erfüllt.8
Die Tat des T zeigte eine absolut verwerfliche Mißachtung vor dem Leben der O. Es kann also kaum davon die Rede sein, daß hier ausnahmsweise nicht die Kriterien für einen niederen Beweggrund erfüllt wären. Verdeckungsabsicht und niedrige Beweggründe stehen in unterschiedlichen Gruppen des § 211.9 |
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4. |
In eine ähnliche Richtung gehend, wäre ein Lösungsversuch,
über die Rechtsfolgen. Beim Vorliegen außergewöhnlicher
Umstände könnte man - contra legem (!) - von einem
minderschweren Fall des Mordes ausgehen.10
Hier ist nicht ersichtlich, daß mildernde außergewöhnliche Umstände vorliegen. Der BGH hat mit seiner Rechtsfolgenlösung die Grenzen der Rechtsschöpfung überschritten.11 |
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5. |
Schließlich könnte man Mord in all jenen Fällen ausscheiden
lassen, in denen der Tat trotz Verwirklichung eines
Tatbestandsmerkmals nach umfassender Gesamtwürdigung nicht
als besonders verwerflich erscheint.12
Auch dies ist hier nicht ersichtlich. Mordtatbestand verliert an Bestimmtheit.13 |
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6. |
Streitentscheid
Wie Ihr Euch hier entscheidet ist egal. Es kommt nur darauf an, das Ergebnis vernünftig zu begründen... |
Hier könnte eine restriktive Auslegung notwendig sein.
I. | §§ 212, 13 (+) |
II. |
§§ 211, 13
Problematisch erscheint, ob T hier in Verdeckungsabsicht gehandelt hat. Hierfür könnte man fordern, daß die Tat gerade verdeckt wird. Dazu ist es erforderlich, daß Spuren zugedeckt werden. Wer seiner Pflicht zur Abwendung eines tödlichen Erfolges nur deshalb nicht nachkommt, um seine Täterschaft nicht aufzudecken, will damit die Tat nicht verdecken.14 Wortklauberei!15 Jedenfalls ist festzustellen, daß Verdeckungsabsicht in den Fällen nicht in Betracht kommt, in denen der Tod als Folge des Verhaltens in Kauf genommen wird, aber nicht Mittel zur Straftatverdeckung ist.16 T hatte von dem Betrunkenen B keine Aufdeckung der Tat zu er Tat zu befürchten. Er fuhr auch nicht weiter, um diesen zu töten - damit dieser dann als Zeuge ausschied - sondern um nicht wegen eines Verkehrsdelikts bestraft zu werden. Vorsicht absolute Mindermeinung - aber richtig ;-): Ein weiter Lösungsansatz argumentiert über § 13 I a.E. wonach das Unterlassen einem Tun entsprechen muß. Die Fällen, in denen der Täter lediglich versucht, seine eigenen Haut zu retten und als Folge den Tod eines Menschen in Kauf nimmt, sind hiernach nicht mit Fällen der aktiven Tötung eines Menschen zu vergleichen.17 |
© 1999 by Alexander Koch (wwwkontakt@laWWW.de)
1 | S/S-Eser, § 211 Rdn. 31. |
2 | S/S-Eser, § 211 Rdn. 33. |
3 | S/S-Eser, § 211 Rdn. 32. |
4 | BVerfGE 45, 177 (267). |
5 | BGHSt 27, 281 (283). |
6 | BGHSt 35, 116. |
7 | BGHSt 35, 116 (120). |
8 | BGHSt 35, 116 (127). |
9 | Laber, MDR 89, 861 (868). |
10 | BGHSt 35, 116 (127); SK-Horn, § 211 Rdn. 66. |
11 | S/S-Eser, § 211 Rdn. 10b. |
12 | S/S-Eser, § 211 Rdn. 10. |
13 | BGH GS St 30, 105 (115). |
14 | BGHSt 7, 287 (290). |
15 | Wohl h.M. im Schrifttum: S/S-Eser, § 211 Rdn. 35; SK-Horn, § 211 Rdn. 68. |
16 | Wessels, BT/1 Rdn. 113. |
17 | Grünewald, Mayer-FS, S. 291. |