Rechtmäßigkeit eines VA


Die Ermächtigungsgrundlage

Gibt es eine VA-Ermächtigung kraft Gewohnheitsrecht?
Kann die Behörde einen Schadensersatzanspruch aus § 78 BBG per VA geltend machen?
Wie wird die Zuständigkeit bestimmt?
Wie finde ich im Gesetz die zuständige Behörde?


Verfahrensvorschriften

Kann ein am Verwaltungsverfahren Beteiligter Akteneinsicht verlangen?
Ist die Ablehnung eines Antrages zu begründen?
Was folgt aus dem Vorliegen von Ausschlußgründen nach § 28 II VwVfG?
Ist die Entscheidung über einen Verzicht der Anhörung zu begründen?
Genügt es, wenn die Anhörung im Widerspruchsverfahren erfolgt?
Die Behörde hat einen LeistungsVA zurückgenommen, ohne den Betroffenen zu hören. Der Betroffene klagt. In der Klageerwiderung geht die Behörde auf das Vorbringen des Klägers ein. Formelle Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides?
Reicht für eine Heilung nach § 45 I Nr. 3 VwVfG ein Vortrag der Behörde im gerichtlichen Verfahren aus?
Was zum Teufel hat sich im § 46 VwVfG geändert?
Wie wird der § 46 VwVfG sinnvollerweise in ein Gutachten eingebaut?


Begründung des VAs

Was ist bei der Begründung eines VAs zu beachten?
Ist ein "Nachschieben" von Gründen im Verfahren zulässig?


Die materielle Rechtmäßigkeit

Welche Anforderungen sind an die Bestimmtheit eines VAs zu stellen?
Welche Folge hat es, wenn ein VA etwas Unmögliches verlangt, bzw. etwas, wozu der Betroffene (wohl aber ein anderer) nicht in der Lage ist?
Ist eine Abbruchverfügung gegen den Vermieter möglich, solange dieser das Haus vermietet hat?
Wo sollte "die Verhältnismäßigkeit" geprüft werden?
Wann ist eine Maßnahme verhältnismäßig?
Welche beiden Ermessensarten lassen sich unterscheiden?
An welche Ermessensfehler ist immer zu denken?
Wann tritt im Baurecht eine Ermessenereduzierung auf Null ein?
Was geschieht im Urteil, wenn die Behörde ihr Ermessen nicht richtig ausgeübt hat?
Ist die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung vom Gericht überprüfbar?
In wie weit hat die Bundesprüfstelle nach dem GjS einen Beurteilungsspielraum?
Woraus folgt die eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit von Prüfungsentscheidungen?
Aus welchen Gesichtspunkten können sich Beurteilungsfehler bei Prüfungsentscheidungen ergeben?
Was passiert, wenn das Gericht einen - kausalen - Beurteilungsfehler feststellt?
Mit welcher Klageart muß gegen eine Prüfungsentscheidung vorgegangen werden?



Die Ermächtigungsgrundlage

Gibt es eine VA-Ermächtigung kraft Gewohnheitsrecht? hoch
  Ja, in weiten Bereichen des Polizei- und Ordnungsrechtes.
  Allerdings reichen nach h.M. bloße Ver- oder Gebotsnormen nicht als Eingriffsgrundlage aus. Hier ist ein Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel notwendig.

Kann die Behörde einen Schadensersatzanspruch aus § 78 BBG per VA geltend machen? hoch
  Problem: die VA-Befugnis, die in § 78 nicht geregelt ist.
  Die hRsp. nimmt in Über- und Unterordnungsverhältnissen eine gewohnheitsrechtliche VA-Befugnis an, da der VA das typische Handlungsinstrument zur Konkretisierung öffentlich-rechtlicher Pflichten ist. Problem hierbei: VA hat Titel- und Vollstreckungsfunktion und kann durch bloßes Nichtstun bestandskräftig werden, auch wenn er rechtswidrig ist. Allerdings hat der VA auch Vorteile: Der Betroffene muß vorher gehört werden und der Bescheid ist zu begründen, außerdem steht mit dem Widerspruchsverfahren ein verwaltungsinternes Kontrollinstrument zur Verfügung.
  Wegen der genannten Nachteile wird von der Gegenmeinung für das Handeln durch VA eine ausdrückliche VA-Befugnis gefordert. Hiernach widerspricht es rechtsstaatlichen Erwägungen, wenn der Staat sich bei Streitigkeiten in eigener Sache durch VA entscheiden kann.
  In der neueren Rsp. wird teilweise bei feststellenden VAen eine gesetzliche Grundlage gefordert, wenn "ihr Inhalt etwas als Rechtens feststellt, was der Betroffene erklärungsgemäß für nicht Rechtens hält." Allerdings bezieht sich die Rsp. nur auf den Inhalt und nicht direkt auf die VA-Befugnis.
  Vorsicht: Auch nach Rsp. ist immer das Vorliegen eines Subordinations-Verhältnisses gerade in Bezug auf das infragestehende Rechtsverhältnis erforderlich.

Wie wird die Zuständigkeit bestimmt? hoch
  Zunächst ist die sachliche Zuständigkeit zu ermitteln.
        Dabei ist als erstes die Verbandskompetenz zu klären. Nach § 83 ff. ist entweder der Bund oder ein Land Verwaltungsträger. Bund und Länder können die Verwaltungsaufgaben entweder selber wahrnehmen (unmittelbare Staatsverwaltung) oder durch unterstaatliche Verwaltungsträger (Körperschaften, Anstalten, Stiftungen) wahrnehmen lassen. Bedeutsam ist hier vor allem § 28 II 1 GG!
        Hat ein Verwaltungsträger mehrere Behörden, ist zu bestimmen, welcher Behörde konkret die Aufgabe zugewiesen ist (Organkompetenz).
  Ist der Verwaltungsträger mehrstufig organisiert, muß die instanzielle Zuständigkeit festgestellt werden.
  Schließlich ist die örtliche Zuständigkeit zu ermitteln.
  Vorsicht: Viele Behörden existieren überhaupt nicht selbständig sondern sind bloße "Funktionsbezeichnungen", die von einer anderen existenten Behörde übernommen werden (z.B. Landrat / Oberbürgermeister als Straßenverkehrsbehörde).
  Vorsicht: Ist die "richtige" Behörde gefunden (z.B. Ordnungsamt), ist es irrelevant, ob der handelnde Beamte auch der nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige ist.

Wie finde ich im Gesetz die zuständige Behörde? hoch
  Zuständigkeitsregeln finden sich im Gesetz häufig als Annex zu den materiellen Vorschriften. Hier findet sich aber häufig nur eine Funktionsbezeichnung.
  Es muß also noch eine Norm gefunden werden, die die Funktion einer tatsächlich existenten Behörde zuweist. Eine solche findet sich in der Regel in den landesrechtlichen Gesetzen.


Verfahrensvorschriften

Kann ein am Verwaltungsverfahren Beteiligter Akteneinsicht verlangen? hoch
  Ja, nach § 29 VwVfG.
  Vorsicht, § 29 gilt nur bis zum Abschluß des Verfahrens! Aber: § 79!

Ist die Ablehnung eines Antrages zu begründen? hoch
  Rsp: Nein, da durch die Ablehnung nicht in Rechte eingegriffen wird, sondern bloß ein Mehr an Rechten verweigert wird.
  hLit.: Ja, Ablehnung einer Begünstigung kann gleich schwer wiegen wie ein Eingriff.
  vermittelnde Meinung: Jain: Begründung nur, wenn die Ablehnung auf nicht vorgetragene Gesichtspunkte gestützt wird.

Was folgt aus dem Vorliegen von Ausschlußgründen nach § 28 II VwVfG? hoch
  Ermessen!

Ist die Entscheidung über einen Verzicht der Anhörung zu begründen? hoch
  Bei der Entscheidung, keine Anhörung vorzunehmen, handelt es nicht um einen VA, sondern um eine bloße verfahrensleitende Entscheidung.
  Begründungspflicht folgt aber aus Art. 19 IV, weil sonst der Bürger keine Möglichkeit hat, zu prüfen, ob die Ablehnung ermessensfehlerfrei war.

Genügt es, wenn die Anhörung im Widerspruchsverfahren erfolgt? hoch
  Nach § 45 I Nr. 3VwVfG kann die unterbliebene Anhörung prinzipiell geheilt werden.
  Teilweise wird hierfür aber ein gesondertes Verfahren unabhängig vom Widerspruchsverfahren gefordert.
  Ganz h.M. nimmt aber an, daß Anhörung im Widerspruchsverfahren ausreicht.
        Umstritten ist aber, ob auch bei Ermessensakten eine Heilung im Widerspruchsverfahren möglich ist.
        h.M. nimmt an, daß Anhörung durch Widerspruchsbehörde genügt, da diese auch Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte berücksichtigt.
        hiergegen: Dem Betroffenen wird aber eine "Ermessensebene" genommen.
        aber: Nach § 72 VwGO muß sich auch die Ausgangsbehörde zunächst mit dem Widerspruch auseinandersetzen. Tut sie das nicht (was wohl der Praxis entspricht...) führt dies zwar zu einem wesentlichen Verfahrensfehler, der nach § 79 II 2 u.U. eine isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides rechtfertigt, aber nicht die Heilungsmöglichkeit ausschließt.
  Heilung ist nach § 45 II VwVfG bis zum Abschluß des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich.

Die Behörde hat einen LeistungsVA zurückgenommen, ohne den Betroffenen zu hören. Der Betroffene klagt. In der Klageerwiderung geht die Behörde auf das Vorbringen des Klägers ein. Formelle Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides? hoch
  Problem: Fehlende Anhörung!
  Nachholung gemäß § 45 II VwVfG durch Klageerwiderung?
        Teilweise wird die Möglichkeit einer Heilung durch die Klageerwiderung verneint:
              § 45 II VwVfG sei wegen Verstoßes gegen Art. 19 IV GG verfassungswidrig...
              Nach § 87 I 2 Nr. 7 und § 94 S. 2 VwGO kann das VG die Möglichkeit geben Verfahrensfehler zu heilen und hierzu auch das Verfahren aussetzen.
                    Aber: Kein zwingender Grund: bestimmte Verfahrensverstöße lassen sich nur außerhalb des Verfahrens heilen (etwa die unterlassene Anhörung eines Dritten).
        Für die Möglichkeit:
              Durch die Klageerwiderung erhält der Kläger Kenntnis von der Behördensicht und kann sich auf diese einstellen.
              Die Behörde kann den VA noch im Prozeß aufheben.

Reicht für eine Heilung nach § 45 I Nr. 3 VwVfG ein Vortrag der Behörde im gerichtlichen Verfahren aus? hoch
  Nein, es muß sich um ein gesondertes Verfahren handeln.
  Vorsicht bei Klageerwiderungen, s.o.

Was zum Teufel hat sich im § 46 VwVfG geändert? hoch
  Früher waren formelle Fehler nur dann unbeachtlich, wenn "keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können". Also praktisch nur bei gebundenen Entscheidungen und Ermessensreduzierungen auf Null.
  Die neue Fassung stellt nur noch auf die Kausalität des Fehlers für die Entscheidung ab.

Wie wird der § 46 VwVfG sinnvollerweise in ein Gutachten eingebaut? hoch
  § 46 betrifft nicht die Zulässigkeit sondern die Durchsetzbarkeit.
  Zunächst wird also die Verletzung von Verfahrensvorschriften geprüft (§ 28), hiernach die Heilung (§ 45).
  Wird festgestellt, daß ein ungeheilter Verfahrensfehler vorliegt, kann dieser wegen § 46 dennoch unbeachtlich sein. Dies kann aber erst festgestellt werden, wenn der materielle Anspruch durchgeprüft ist. Im formellen Teil erfolgt also nur ein kurzer Hinweis auf § 46 ("Ob der Fehler nach § 46 unbeachtlich ist, kann an dieser Stelle dahinstehen, da § 46 nicht die Frage der Rechtswidrigkeit bzw. Rechtmäßigkeit des VA regelt, sondern nur einen etwaigen Aufhebungsanspruch des Betroffenen ausschließt.").
  Nach Feststellung der materiellen Rechtmäßigkeit kann dann auf § 46 eingegangen werden ("Wegen der materiellen Rechtmäßigkeit des VA könnte der festgestellte Verstoß gegen § 28 gemäß § 46 unbeachtlich sein. Voraussetzungen des § 46 sind...").


Begründung des VAs

Was ist bei der Begründung eines VAs zu beachten? hoch
  Der VA ist nach § 39 VwVfG zu begründen.
  Nicht ausreichend sind Wiedergaben des Gesetzeswortlautes oder des Sachverhaltes.
  Erforderlich ist lediglich "eine" Begründung, nicht notwendigerweise die richtige.
  Eine fehlende Begründung kann nach § 45 I Nr. 2 geheilt werden. Auch die Widerspruchsbehörde ist hierzu in der Lage.

Ist ein "Nachschieben" von Gründen im Verfahren zulässig? hoch
  Prüfung im materiellen Teil!
  Für die Zulässigkeit des "Nachschiebens" spricht der Amtsermittlungs- und Untersuchungsgrundsatz: § 86 I VwGO.
  Hiergegen würde früher (!!) § 45 II VwVfG a.F. angeführt, der eine Heilung nur bis zum Abschluß des Vorverfahrens zuließ.
  § 45 II VwVfG läßt jetzt aber Heilung bis zum Abschluß des gerichtlichen Verfahrens zu.
  Problematisch könnte aber § 114 S. 2 VwGO sein. Im Gesetzgebungsverfahren ist erwogen worden, der Behörde auch die Möglichkeit zu geben, die Begründung zu ergänzen. Dies wurde jedoch dann auf "Ermessensabwägungen" begrenzt.
        Prozessual gibt es kaum einen Unterschied zwischen allgemeinen Erwägungen und Ermessenserwägungen.
        Außerdem ist es zweckmäßig, die neuen Gründe im Prozeß zu berücksichtigen.
  Allerdings ist ein Nachschieben nicht uneingeschränkt möglich (sonst droht Aushöhlung des § 45 VwVfG - dieser erfordert ein Verfahren außerhalb des Prozesses).
        Eine völlige Auswechslung oder eine erstmalige Begründung im Prozeß scheiden damit aus.
        Durch das Nachschieben darf es zu keiner Wesensänderung des VA kommen.


Die materielle Rechtmäßigkeit

Welche Anforderungen sind an die Bestimmtheit eines VAs zu stellen? hoch
  Gebot der Bestimmtheit folgt aus § 37 VwVfG (und ist Ausfluß des Rechtsstaatsprinzipes).
  Der VA muß erkennen lassen:
  Wer ihn erlassen hat.
        Im Falle eines schriftlich zu erlassenden VAs führt ein Verstoß nach § 44 I Nr. 1 zur Nichtigkeit.
  Wer Adressat ist.
  Was Verlangt wird.
        Der VA muß bestimmter sein als ein abstrakt-generelles Gesetz (sonst würde der VA keinen Sinn machen...)
  Prinzipiell reicht Auslegbarkeit (§ 133 BGB analog).

Welche Folge hat es, wenn ein VA etwas Unmögliches verlangt, bzw. etwas, wozu der Betroffene (wohl aber ein anderer) nicht in der Lage ist? hoch
  Unmöglichkeit führt nach § 44 II Nr. 4 zur Nichtigkeit.
  Unvermögen macht den VA in der Regel nicht nichtig aber rechtswidrig.

Ist eine Abbruchverfügung gegen den Vermieter möglich, solange dieser das Haus vermietet hat? hoch
  Problem ist die rechtliche Unmöglichkeit des Vermieters. Dieser ist zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet und ein Abriß wäre verbotene Eigenmacht.
        Für den Bürger sind öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Pflichten gleichwertig.
  Folgt die rechtliche Unmöglichkeit aus Nebenberechtigung eines Dritten, so läßt sich dieses Hindernis jedoch ausräumen:
        Der Dritte könnte auf seine Rechte verzichten.
        Der Berechtigte könnte dem Dritte sein Recht entziehen (etwa durch Kündigung, soweit möglich).
        Gegen den Dritten könnte ein Duldungsverfügung erlassen werden. In Betracht wird hier eine Zustandsstörrerhaftung gegen des Besitzes kommen. Ist der Dritte nun verpflichtet, den Abbruch zu dulden, ist dies für den Vermieter nicht mehr rechtlich unmöglich.
  Das rechtliche Hindernis kann also überwunden werden. Das Fehlen einer Duldungsverfügung berührt hier noch nicht die Rechtmäßigkeit des Haupt-VAs, wohl aber seine Durchsetzbarkeit (möglicherweise räumt der Mieter ja freiwillig das Haus...).
  Die Behörde darf ihr Ziel (Abriß) also schrittweise herbeiführen (erst Abrißverfügung, dann gegebenenfalls Duldungsverfügung).

Wo sollte "die Verhältnismäßigkeit" geprüft werden? hoch
  Entweder als gesonderter Prüfungspunkt.
        Empfiehlt sich, wenn das Gesetz Verhältnismäßigkeitsaspekte ausdrücklich erwähnt.
  Oder beim Ermessen.

Wann ist eine Maßnahme verhältnismäßig? hoch
  Wenn sie
        geeignet,
        erforderlich und
        angemessen ist.

Welche beiden Ermessensarten lassen sich unterscheiden? hoch
  Entschließungsermessen ("ob")
  Auswahlermessen ("wie")

An welche Ermessensfehler ist immer zu denken? hoch
  Ermessensüberschreitung
        Die Behörde wählt eine nicht zugelassene Rechtsfolge. Eine Ermessensgrenze kann sich auch aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergeben.
  Ermessensunterschreitung
        Die Behörde hat von ihrem Ermessen keinen Gebrauch gemacht.
        Typische Fälle sind: Die Behörde hat die Voraussetzungen der Ermessensnorm verneint und schon deshalb kein Ermessen ausgeübt; die Behörde hat irrig eine gebundene Entscheidung angenommen; die Behörde hat verkannt, daß es sich um einen atypischen Fall handelt und sie deshalb von Verwaltungsvorschriften abweichen kann.
  Ermessensfehlgebrauch
        Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn die Behörde ihr Handeln auf Erwägungen stützt, die mit dem Zweck der Rechtsvorschrift und allgemeinen Grundsätzen, die die Behörde bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen hatte nicht vereinbar ist.
        Typische Fälle sind: Sachfremde Erwägungen, strukturelle Mängel in der Begründung (z.B. unlogische Schlußfolgerungen), Verstoß gegen den Gleichheitssatz, Tatsachenfehler.

Wann tritt im Baurecht eine Ermessenereduzierung auf Null ein? hoch
  Teilweise wird vertreten, die baurechtlichen Normen bezweckten alle Nachbarschaftsschutz, folglich müsse in der Regel eine Ermessenreduzierung auf Null eintreten, von der nur sachgerechten Gründen abgewichen werden darf.
        Aber: Gesetz räumt Behörde generell Ermessen ein.
  Die h.M. geht davon aus, daß nur in Ausnahmefällen eine Ermessensreduzierung stattfindet.

Was geschieht im Urteil, wenn die Behörde ihr Ermessen nicht richtig ausgeübt hat? hoch
  Solange keine Ermessensreduzierung auf Null stattgefunden hat, kann das Gericht nicht das behördliche Ermessen durch eigenes ersetzen. Die Sache ist also noch nicht spruchreif.
  Es ergeht deshalb ein Bescheidungsurteil, wonach die Behörde die Sache unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden hat.

Ist die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung vom Gericht überprüfbar? hoch
  Grundsätzlich ist ein solcher Beurteilungsspielraum anerkannt.
        Der Gesetzgeber kann in bestimmten Fällen keine endgültige Entscheidung vornehmen und überläßt dies deshalb der Verwaltung.
        Allerdings ist dies vor dem Hintergrund des "Verbehalts des Gesetzes" problematisch. Die Norm muß sich deshalb sicher auslegen lassen.
        Das BVerwG führt aus: "Sind mehrere rechtmäßige Entscheidungen denkbar, so verlangt Art 19 IV nicht, daß die Auswahl unter ihnen letztverbindlich vom Gericht getroffen wird."
  Umstritten ist allerdings in welchen Fällen und in welchem Umfang der Behörde ein Beurteilungsspielraum zukommt. Wenigstens ein genereller Beurteilungsspielraum ist mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV nicht vereinbar.
  Nach h.M. muß der Norm zu entnehmen sein, daß die Verwaltung ermächtigt sein soll über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zu entscheiden. Dies ist etwa der Fall bei:
        Prüfungs- und prüfungsähnlichen Entscheidungen (z.B. beamtenrechtliche Beurteilungen)
        prognostischen Entscheidungen wertenden Charakters
        persönlichen Wertungen eines weisungsfreien, pluralistisch besetzten Gremiums

In wie weit hat die Bundesprüfstelle nach dem GjS einen Beurteilungsspielraum? hoch
  Zunächsteinmal fällt die Bundesprüfstelle in die letzte der oben genannten Kategorien.
  Nach BVerfG ist der Beurteilungsspielraum bei grundrechtsrelevanten Maßnahmen aber erheblich eingeschränkt.
  Entscheidungen, die einen Widerstreit grundrechtsreleavanter Positionen zum Gegenstand haben, müssen grundsätzlich voll gerichtlich überprüfbar sein.
  Gerichtlich überprüfbar ist danach, ob einen Schrift jugendgefährdend ist oder ob der Kunstvorbehalt eingreift.
  Alles weiter ist umstritten.
        Das BVerwG führt aus: "Was zur Herstellung praktischer Konkordanz in die jeweiligen Waagschalen zu werfen ist, unterliegt uneingeschränkter richterlicher Kontrolle. ... Diese widerstreitenden Belange, deren Gewicht die Gerichte notfalls eigenständig zu beurteilen haben, müssen in einem verhältnismäßigen Ausgleich zueinander gebracht werden. Zwar unterliegt auch dies gerichtlicher Prüfung. Dies muß jedoch respektieren, daß die Abwägungsentscheidung vom Gesetzgeber der Bundesprüfstelle zugewiesen ist, während das Gericht lediglich zu kontrollieren hat, ob die genannten rechtlichen Vorgaben eingehalten sind."

Woraus folgt die eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit von Prüfungsentscheidungen? hoch
  Die Beurteilung einer Prüfungsleistung erfordert schwierige Bewertungen, die aus dem Kontext der Prüfung zu erfolgen haben.
  Die Chacengleichheit (Art. 3 I) ist für alle Kandidaten nur bei gemeinsamer Bewertung gewahrt.

Aus welchen Gesichtspunkten können sich Beurteilungsfehler bei Prüfungsentscheidungen ergeben? hoch
  Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung
        Effektiver Rechtsschutz setzt voraus, daß der Prüfer die tragenden Erwägungen darlegt, damit diese nachvollziehbar sind.
  Verstoß gegen Verfahrensvorschriften
        Bei einem Verstoß soll dem Prüfling eine Rügepflicht obliegen.
        Allerdings folgt aus dem Fehlen eines Protokolls noch keine Unwirksamkeit. Regelmäßig wird die Entscheidung auch bei Anfertigung eines Protokolls nicht anders ausgefallen sein. § 46 VwVfG!! Allerdings ist in diesem Fall dem Prüfling eine Beweiserleichterung zu gewähren.
  unzutreffender oder unvollständig ermittelter Sachverhalt
        Z.B.: Prüfer irrt über die Aufgabenstellung oder schläft in der mündlichen Prüfung
  falsche Auslegung eines Rechtsbegriffs
  Mißachtung allgemeingültiger Bewertungsgrundsätze
        Früher haben die Verwaltungsgerichte einen Verstoß erst angenommen, wenn eine Bewertung willkürlich erschien.
        Das BVerfG verlangt nun eine Vertretbarkeitskontrolle. Sinn der Prüfung ist es, für den Beruf ungeeignete Kandidaten auszusortieren. Folglich dürfen brauchbare Lösungen nicht als falsch bewertet werden.
        Notfalls muß sich das Gericht mit Hilfe von Sachverständigen die nötige Sachkunde verschaffen.
  sachfremde Erwägungen
  Verstoß gegen die Chacengleicheit
        Z.B. Verunsicherung eines Kandidaten, Baulärm. Im letzteren Fall hat die Behörde keinen Beurteilungsspielraum, welche Maßnahmen (Schreibverlängerung, etc.) zur Kompensation geboten sind.
        Ausfluß der Chacengleichenheit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ist das Gebot der Sachlichkeit.
        Verhältnismäßigkeit (z.B. keine Fragen über Mali im juristischen Staatsexamen!).

Was passiert, wenn das Gericht einen - kausalen - Beurteilungsfehler feststellt? hoch
  Das Gericht kann die Prüfungsbewertung nicht selber vornehmen.
  Die zuständigen Prüfer haben deshalb die Prüfung mit fehlerfreier Beurteilung nachzuholen.

Mit welcher Klageart muß gegen eine Prüfungsentscheidung vorgegangen werden? hoch
  Verpflichtungsklage auf Neubewertung.


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