Die Hauptverhandlung in erster Instanz

Wie wird der Angeschuldigte zum Angeklagten?


Vorbereitung der Hauptverhandlung

Kann der Angeklagte eigene Zeugen laden lassen?
Was hat es mit der Rügepräklusion des § 338 Nr. 1 auf sich?
In der Hauptverhandlung stellt sich heraus, daß der Angeklagte eindeutig unschuldig ist, kann der Eröffnungsbeschluß zurückgenommen werden?


Die Hauptverhandlung

Wie läuft die Hauptverhandlung ab?
In der Hauptverhandlung wird der Anklagesatz nicht verlesen. Welche Folgen hat dies?
Welche Folgen hat es, wenn dem Angeklagten nicht das "letzte Wort" gewährt wurde?
Was ist bei Unterbrechungen zu beachte?
Was ist der Unterschied zwischen Aussetzung und Unterbrechung?
Wie kann ein Verstoß gegen § 238 II angegriffen werden?
Welche Folgen hat ein Verstoß gegen § 257?
Während der Hauptverhandlung stellt das Gericht fest, daß statt Aussetzung mit Todesfolge nur fahrlässig Tötung in Betracht kommt. Was muß es tun?
Was hat zu geschehen, wenn das Gericht die Verhängung einer Nebenstrafe in Erwägung zieht?


Die Anwesenheitspflicht

Gibt es eine Art "strafrechtliches Versäumnisurteil"?
Welche Maßnahmen sind gegen Beschuldigte möglich, denen das Gericht nicht habhaft werden kann?
In welchen Fällen kann in gänzlicher Abwesenheit des Angeklagten verhandelt werden?
In welchen Fällen kann die Hauptverhandlung in zeitweiser Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt werden?
Hat sich der Angeklagte "eigenmächtig entfernt", wenn er sich vorsätzlich betrunken hat, einen Selbstmordversuch unternommen hat, nicht erscheint, weil er sonst seinen Arbeitsplatz verliert?
Paßt § 231 II auf Fälle des Verschlafens oder wenn der Vorsitzende die Anwesenheit anordnet?
Wie ist zu verfahren, wenn die Behörde für einen Zeugen nur dann eine Aussagegenehmigung erteilen möchte, wenn der Angeklagte während der Vernehmung entfernt wird?
Wann ist der Angeklagte wieder beizuziehen, wenn er vorübergehend ausgeschlossen war?
Kann in einem Verfahren gegen mehrere Beteiligte ein Angeklagter "beurlaubt" werden? Was ist dabei zu beachten?


Die Beweisaufnahme

Wo ist die Beweisaufnahme geregelt?
Was ist ein Beweisantrag?
Was ist ein Beweisermittlungsantrag?
Welche Konsequenzen hat die Qualifizierung eines Antrages als Beweis- bzw. Beweisermittlungsantrag?
Kann im Urteilsverkündungstermin noch ein Beweisantrag gestellt werden?
Darf sich das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung durch einen Sachverständigen beraten lassen?


Mündlichkeit

Dürfen die Laienrichter die Akten lesen?
Wann kann eine Vernehmung durch die Verlesung eines Protokolls ersetzt werden?
Was ist bei §§ 253, 254 verwertbar?
Darf der Richter privates Wissen verwerten?
Darf im Falle des § 252 die Verhörsperson vernommen werden?
Greift § 252 auch bei einem Zeugen, der nun von einem Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55) Gebrauch macht?
Was ist bei Zeugen vom Hörensagen zu beachten?


Die Öffentlichkeit

Wo ist der Grundsatz der Öffentlichkeit - sowie seine Ausnahmen - niedergelegt?
Kann auch zu viel Öffentlichkeit ein Problem sein?
Kann die Öffentlichkeit beschränkt werden?
Kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden?
Welcher Rechtsschutz ist gegen die persönliche Ausschließung gegeben?


Wie wird der Angeschuldigte zum Angeklagten? hoch
  Vgl. § 157


Vorbereitung der Hauptverhandlung

Kann der Angeklagte eigene Zeugen laden lassen? hoch
  Ja, vgl. § 220

Was hat es mit der Rügepräklusion des § 338 Nr. 1 auf sich? hoch
  Bei erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG oder OLG wird vor der Hauptverhandlung die Besetzung mitgeteilt.
  Die Besetzung kann nur bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache gerügt werden (§ 222b).
  Das Gericht kann die Rüge mit unanfechtbarem (§ 305) Beschluß verwerfen.
  Verwirft das Gericht die Rüge, ist Revision möglich.

In der Hauptverhandlung stellt sich heraus, daß der Angeklagte eindeutig unschuldig ist, kann der Eröffnungsbeschluß zurückgenommen werden? hoch
  Richtigerweise nicht! Der Angeklagte hat einen Anspruch auf Freispruch.


Die Hauptverhandlung

Wie läuft die Hauptverhandlung ab? hoch
  Vgl. § 243

In der Hauptverhandlung wird der Anklagesatz nicht verlesen. Welche Folgen hat dies? hoch
  Die Schöffen sind möglicherweise nicht in der Lage, dem Verfahren vernünftig zu folgen. Dementsprechend kann eine Revision möglich sein.
  Unproblematisch werden nur ganz einfache Fälle sein oder Verfahren vor dem Einzelrichter, weil es hier nicht zu einer Desorientierung kommen kann (schließlich hat der Richter die Akten gelesen und sich auf die Verhandlung vorbereitet... ;-)

Welche Folgen hat es, wenn dem Angeklagten nicht das "letzte Wort" gewährt wurde? hoch
  Es ist nicht auszuschließen, daß das Gericht unter dem unmittelbaren Eindruck des Angeklagten ein anderes Urteil gefällt hätte.
  Dementsprechend wird ein Verstoß hiergegen praktisch immer zu einer Revision führen.

Was ist bei Unterbrechungen zu beachte? hoch
  Die §§ 228, 229!

Was ist der Unterschied zwischen Aussetzung und Unterbrechung? hoch
  Eine Unterbrechung dauert maximal 10 Tage (bzw. 30, vgl. § 229).
  Die Aussetzung hat zur Folge, daß die Hauptverhandlung später neu begonnen werden muß.

Wie kann ein Verstoß gegen § 238 II angegriffen werden? hoch
  Beschwerde ist nicht möglich (§ 305),
  wohl aber Revision (§ 338 Nr. 8)
  Die Rsp. fordert für den Erhalt der Revisionsmöglichkeit die Rüge einer fehlerhaften Sachleitungsanordnung um ein "Aufsparen" für die Revision zu verhindern.

Welche Folgen hat ein Verstoß gegen § 257? hoch
  Nach h.M. keine, weil es sich um eine reine Ordnungsvorschrift handelt.
  Bedenklich... § 257 ist Ausprägung des rechtlichen Gehörs.

Während der Hauptverhandlung stellt das Gericht fest, daß statt Aussetzung mit Todesfolge nur fahrlässig Tötung in Betracht kommt. Was muß es tun? hoch
  Den Angeklagten darauf hinweisen.
  Zwar ist § 222 milder, trotzdem kann eine Umstellung der Verteidigungsstrategie sinnvoll sein.

Was hat zu geschehen, wenn das Gericht die Verhängung einer Nebenstrafe in Erwägung zieht? hoch
  Hinweis, analog § 265


Die Anwesenheitspflicht

Gibt es eine Art "strafrechtliches Versäumnisurteil"? hoch
  Ja, vgl. §§ 329, 412

Welche Maßnahmen sind gegen Beschuldigte möglich, denen das Gericht nicht habhaft werden kann? hoch
  Vgl. § 285 ff.

In welchen Fällen kann in gänzlicher Abwesenheit des Angeklagten verhandelt werden? hoch
  Vgl. § 232,
  § 233,
  §§ 329, 350,
  § 387,
  § 412

In welchen Fällen kann die Hauptverhandlung in zeitweiser Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt werden? hoch
  § 231 II,
  § 231a,
  §§ 231b StPO, 177 GVG,
  § 247

Hat sich der Angeklagte "eigenmächtig entfernt", wenn er sich vorsätzlich betrunken hat, einen Selbstmordversuch unternommen hat, nicht erscheint, weil er sonst seinen Arbeitsplatz verliert? hoch
  Grundsätzlich ist es als "eigenmächtiges Entfernen" anzusehen, wenn der Angeklagte vorsätzlich seine Verhandlungsunfähigkeit herbeiführt.
  Anders liegt es allerdings in der Regel bei einem Selbstmordversuch - dieser dient nicht der Verfahrensverschleppung sondern der Verfahrensbeendung.
  Auch, wenn der Angeklagte einem Termin fernbleibt, aus Angst sonst seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wird § 231 II ausscheiden.

Paßt § 231 II auf Fälle des Verschlafens oder wenn der Vorsitzende die Anwesenheit anordnet? hoch
  Nein, diese Fälle passen von der Ratio nicht, es bedürfte einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage.
  Wegen der tief in die Rechte des Angeklagten eingreifenden Wirkung, ist stets eine restriktive Auslegung vorzunehmen.

Wie ist zu verfahren, wenn die Behörde für einen Zeugen nur dann eine Aussagegenehmigung erteilen möchte, wenn der Angeklagte während der Vernehmung entfernt wird? hoch
  Nach BGH paßt § 247 S. 1 analog.
  IMHO eher problematisch - es droht eine Aushöhlung des Anwesenheitsgrundsatzes.

Wann ist der Angeklagte wieder beizuziehen, wenn er vorübergehend ausgeschlossen war? hoch
  Spätestens bei der Entscheidung über die Vereidigung. Diese gehört nicht mehr zur Aussage.

Kann in einem Verfahren gegen mehrere Beteiligte ein Angeklagter "beurlaubt" werden? Was ist dabei zu beachten? hoch
  § 231c
  Vorsicht: Wird während der Abwesenheit über einen Punkt verhandelt, der zuvor ausgeschlossen worden war, so ist eine Revision nach § 338 Nr. 5 gegeben!


Die Beweisaufnahme

Wo ist die Beweisaufnahme geregelt? hoch
  §§ 244 ff.

Was ist ein Beweisantrag? hoch
  Beweisantrag ist das Begehren, über eine bestimmte Tatsache ein nach der Prozeßordnung zulässiges bestimmtes Beweismittel zu verwerten.

Was ist ein Beweisermittlungsantrag? hoch
  Der Beweisermittlungsantrag ist eine bloße, den Erforderlichkeiten für einen Beweisantrag nicht entsprechende, Anregung an das Gericht, auf Vornahme weiterer Beweishandlungen zur Aufklärung der Schuld- oder Straffrage.

Welche Konsequenzen hat die Qualifizierung eines Antrages als Beweis- bzw. Beweisermittlungsantrag? hoch
  Der Beweisantrag kann nur unter den engen Voraussetzungen des Gesetzes durch förmlichen Gerichtsbeschluß abgelehnt werden.
  Einem Beweisermittlungsantrag muß das Gericht nur im Rahmen seiner Aufklärungspflicht folgen. Er ist mehr eine Anregung.

Kann im Urteilsverkündungstermin noch ein Beweisantrag gestellt werden? hoch
  Prinzipiell ja, vgl. § 246 I.
  Bei Verschleppungsabsicht ist jedoch eine Ablehnung nach § 244 III 2 möglich.

Darf sich das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung durch einen Sachverständigen beraten lassen? hoch
  Nein, es droht eine Umgehung der Vorschriften über den Sachverständigenbeweis!


Mündlichkeit

Dürfen die Laienrichter die Akten lesen? hoch
  Problem: Es droht Befangenheit.
  Andererseits haben die Laienrichter in der Hauptverhandlung die gleich Befugnisse wie die Berufsrichter - auch von ihnen kann erwartet werden, daß sie zwischen Akteninhalt und mündlicher Verhandlung trennen.
  Unproblematisch ist jedenfalls die Lektüre von Abschriften von Tonbandprotokollen - hier droht nicht die Gefahr der Beeinflussung durch die möglicherweise einseitige Sicht der StA.

Wann kann eine Vernehmung durch die Verlesung eines Protokolls ersetzt werden? hoch
  Vgl. § 251

Was ist bei §§ 253, 254 verwertbar? hoch
  Nach h.M. handelt es sich um einen "normalen" Urkundenbeweis.
  Hiergegen wird vorgetragen, nur im Falle des § 254 I sei dies der Fall. Bei §§ 253, 254 II sei dagegen die Aussage "vorzuhalten" mithin sei auch nur die Reaktion auf den Vorhalt zu verwerten.
        Allerdings spricht § 255 eher gegen diese Sichtweise.

Darf der Richter privates Wissen verwerten? hoch
  Nein. Will er privates Wissen in den Prozeß einführen, muß er sich als Zeuge vernehmen lassen - mit dem Ergebnis, daß er als Richter ausscheiden muß.

Darf im Falle des § 252 die Verhörsperson vernommen werden? hoch
  Das RG hat in § 252 ein bloßes "Verlese"verbot gesehen.
  Der BGH differenziert:
        Eine richterliche Verhörsperson soll vernommen werden dürfen, wenn
              die Person als Zeuge (und nicht als Beschuldigter!) vernommen wurde,
              das Zeugnisverweigerungsrecht bereits bestand,
              die Person über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt wurde
              und wirksam auf das Zeugnisverweigerungsrecht verzichtet hat.
        Nicht richterliche Vernehmungspersonen sollen dagegen nicht vernommen werden dürfen.
  Es gibt kaum einen Grund für diese Differenzierung: Auch die StA und Polizei muß über das Zeugnisverweigerungsrecht belehren. Außerdem läßt sich eine besondere Qualität der richterlichen Vernehmung empirisch nicht beweisen.
        Hiergegen wird vorgetragen, der Richter sei neutral und deshalb bestehe kein Aussagedruck...

Greift § 252 auch bei einem Zeugen, der nun von einem Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55) Gebrauch macht? hoch
  Teilweise wird vertreten, § 252 gelte auch für Auskunftsverweigerungsrechte, schließlich bezeichne § 56 das Recht des § 55 als Zeugnisverweigerungsrecht.
  Von der Rsp. wird dies - IMHO zu Recht - abgelehnt: Das ZVR gibt ein umfassendes Schweigerecht, welches nicht durch Verlesung umgangen werden soll. Dies trifft auf das AVR in selben Maße zu.

Was ist bei Zeugen vom Hörensagen zu beachten? hoch
  Grundsätzlich ist auch ein Zeuge vom Hörensagen zulässig.
  Allerdings kommt einer solchen Aussage nur ein bedingter Beweiswert zu.


Die Öffentlichkeit

Wo ist der Grundsatz der Öffentlichkeit - sowie seine Ausnahmen - niedergelegt? hoch
  Vgl. §§ 176 ff. GVG

Kann auch zu viel Öffentlichkeit ein Problem sein? hoch
  Ja, Massenberichterstattung birgt ebenso Gefahren (Vorverurteilung, Urteilsdruck, etc.) wie die Beschränkung der Öffentlichkeit.
  § 169 GVG erfaßt deshalb nur die "unmittelbare Öffentlichkeit der Gerichtssäle".
  Bei "zu viel Öffentlichkeit" ist deshalb eine Revision nach § 338 Nr. 6 oder § 337 gegeben.

Kann die Öffentlichkeit beschränkt werden? hoch
  Ja, wenn dies aus faktischen Gründen notwendig ist (Zuschauer passen nicht alle in Gerichtssaal) - es hat dann aber eine unparteiliche Auswahl zu erfolgen.
  Eine künstliche Verkleinerung durch Herausstellen von Stühlen ist allerdings unzulässig.
  Auch das Abschließen der Türen, um Störungen durch den Wechsel von Zuschauern zu vermeiden ist unzulässig. Solche Störungen sind zwangsläufig Begleiterscheinung des Öffentlichkeitsgrundsatzes.

Kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden? hoch
  Ja, vgl. §§ 171a ff. GVG

Welcher Rechtsschutz ist gegen die persönliche Ausschließung gegeben? hoch
  § 181 GVG paßt nicht direkt, wohl aber analog.


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