aktuelle Rechtslage | doppeltes Auslegungskunststück1 | Prof. Freund2 | ||||
vorsätzliche Brandstiftung fremder Gebäude | § 306 I Nr. 1 | 1 bis 10 Jahre | § 306 I Nr. 1 | 1 bis 10 Jahre | § 306 I Nr. 1 | 1 bis 10 Jahre |
vorsätzliche Brandstiftung fremder Gebäude
plus fahrlässige Gefährdung |
§ 306d I Var. 3 | bis 5 Jahre3 | § 306 I Nr. 14 | 1 bis 10 Jahre | § 306 I Nr. 1, § 306d I Var. 3, § 525 | 1 bis 10 Jahre |
fahrlässige Brandstiftung fremder Gebäude | § 306d I Var. 1 | bis 5 Jahre | § 306d I Var. 1 | bis 5 Jahre | § 306d I Var. 1 | bis 5 Jahre |
fahrlässige Brandstiftung fremder Gebäude
plus fahrlässige Gefährdung |
§ 306d II | bis 3 Jahre | § 306d I Var. 1 | bis 5 Jahre | § 306d I Var. 1, § 306d II, § 526 | bis 5 Jahre |
Schaffen einer Brandgefahr | § 306f I | bis 3 Jahre | § 306f I | bis 3 Jahre | § 306f I | bis 3 Jahre |
Schaffen einer Brandgefahr
plus Gefährdung |
§ 306f II | bis 3 Jahre7 | § 306f II | bis 3 Jahre | § 306f II | bis 3 Jahre |
Schaffen einer Brandgefahr
plus fahrlässige Gefährung |
§ 306f III | bis 1 Jahr8 | § 306f II | bis 3 Jahre | § 306f I, § 306f III, § 529 | bis 3 Jahre |
vorsätzliche Inbrandsetzung des eigenen KFZ plus Todesgefahr | möglicherweise § 306b II Nr. 110 | straffrei bzw. nicht unter 5 Jahren | § 306b II Nr. 1 | nicht unter 5 Jahren | § 306b II Nr. 1 | nicht unter 5 Jahren |
vorsätzliche Inbrandsetzung eines fremden KFZ plus Todesgefahr | § 306b II Nr. 1 | nicht unter 5 Jahren | 306 I | 1 bis 10 Jahr11 | § 306b II Nr. 1, § 306 I Nr. 4, § 52 | bis 3 Jahre |
1 |
Fischer, NStZ 1999. 13, 14 schlägt folgenden Weg vor:
1. Die Verweise in § 306a II und § 306f II werden so verstanden, daß sie sich nicht auf das Merkmal der "Fremdheit" beziehen. 2. § 306a II und § 306f II werden nun aber nicht so verstanden, daß sie eigentumsunabhängig sind, sondern sie werden weiter so ausgelegt, daß sie sich nur auf eigene und herrenlose Sache beziehen. IMHO ist der erste Schritt noch nachvollziehbar - siehe FN 10. Der zweite Schritt ist aber eine bloße Behauptung, um in der Mehrzahl der Fälle zu "gerechteren" Ergebnissen zu kommen. Der Preis hierfür dürfte jedoch eine verbotene Analogie zu Lasten des Täters sein - das Argument, der Gesetzgeber könne nicht gemeint haben, was nicht sein kann, darf vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung keine Beachtung zu Lasten des Täters finden! Wohl aus diesem "schlechten Gewissen" heraus bezeichnet Fischer den beschriebenen Weg auch als Auslegungskunststück... |
2 |
Die §§ 306 ff. enthalten
sowohl Eigentumsdelikte als auch Delikte, die vorrangig
menschliches Leben (oder andere Werte) schützen.
§ 306 ist etwa reines Eigentumsdelikt; die §§ 306a II, 306d II dienen dagegen dem Schutz menschlichen Lebens. Es handelt sich folglich nicht um Qualifikationen zu § 306, sondern um eigenständige Delikte. Von allen Lösungsansätzen vermag dieser IMHO die sich ergebenden Probleme am "besten" zu lösen. Allerdings bleibt bei dieser Auslegung offen, warum etwa § 306a II mehr nach einer Qualifikation als nach einem eigenständigen Delikt "aussieht". Außerdem ist der Strafrahmen für das reine Eigentumsdelikt des § 306 im Verhältnis etwa zu § 306d I Var. 3 zu hoch. |
3 | Eine Orientierung am Wortlaut führt also dazu, daß das Mehr der fahrlässigen Gefährdung zu einer Privilegierung führt. Dieses Ergebnis ist mit dem Schuldprinzip nicht vereinbar! |
4 | § 306d I Var. 3 greift gerade nicht, weil es sich um eine fremde Sache handelt, der Verweis über § 306a II aber nur für eigene und herrenlose Sachen gilt. |
5 | § 306d I Var. 3 ist - auch wenn es zunächst so aussieht - nicht etwa Qualifikation zu § 306, sondern ein eigenständiges Gefährdungsdelikt. Die beiden Delikte stehen in Tateinheit. |
6 | Das Eigentums- und Gefährdungsdelikt treffen tateinheitlich aufeinander. |
7 | Hier haben wir es mit der interessanten Konstellation zu tun, daß die Qualifikation den gleichen Strafrahmen hat wie das Grunddelikt. |
8 | Hier taucht das gleiche Problem wie bei § 306a II auf: Das Mehr der Gefährdung führt zu eine Privilegierung. |
9 | § 306f enthält ein eigenständiges Eigentums- sowie ein (Menschen)Gefährdungsdelikt. |
10 |
Die Auslegung hängt letztlich davon ab, ob man den
Verweis in § 306a II so versteht, daß er sich auch auf das
Merkmal der "Fremdheit" in § 306 bezieht. Hiergegen läßt
sich anführen, daß § 306 in seiner Grundform ein
Eigentumsdelikt ist. § 306a II stellt dagegen ein
Gefährdungsdelikt dar. Hier wäre es kaum nachvollziehbar,
weshalb es auf die Eigentumsverhältnisse der Sache ankommt
(so auch Lackner/Kühl, § 306a Rdn. 7).
Gegen diese Argumentation werden von Fischer, aaO aber gewichtige Gegenargumente vorgetragen: Nach gängiger Auslegungspraxis werden bei Verweisen die kompletten Sätze und nicht bloß einzelne Nr. beachtet - so würde niemand auf die Idee kommen zu behaupten, § 315a II, verweise nicht auch auf die Gefährdung. Die Verweise in § 184 VI werden ebenfalls so verstanden, daß der Satzteil vor den Nummern miteinbezogen wird. Dennoch ist es IMHO nicht unzulässig, § 306a II mit der erst genannten Auffassung auszulegen. Von den genannten Beispielen unterscheidet sich die Situation dadurch, daß § 306a II anderenfalls sinnentleert würde. Auch verstößt die Auslegung nicht gegen den Wortlaut. |
11 | Gerade an diesem Beispiel zeigt sich auch die Absurdität dieser Auslegung: Der Täter, der ein fremdes Fahrzeug anzündet und hierbei einen Menschen in Todesgefahr bringt, wird milder bestraft als der Täter, der sein eigenes Fahrzeug anzündet, um einen Versicherungsbetrug zu begehen, und hierbei fahrlässig einen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsbeschädigung bringt... |
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