Irrtümer im Bereich des Tatbestandes und der Rechtswidrigkeit

IRRTUM ÜBER ÄUSSERE TATBESTANDSMERKMALE
Subsumtionsirrtum
Abgrenzung untauglicher Versuch / Wahndelikt
Besonderheiten bei Unterlassungsdelikt
Irrtum über qualifizierende TB-Merkmale
Irrtum über erfolgsqualifizierendes TB-Merkmal
Irrtum über privilegierende TB-Merkmale
IRRTUM ÜBER KAUSALVERLAUF
Irrtum über Kausalverlauf
"error in persona vel in obiecto"
"aberratio ictus"
IRRTUM ÜBER RECHTSWIDRIGKEIT
Erlaubnistatbestandsirrtum
Erlaubnistatbestandsirrtum im Fallaufbau
Erlaubnistatbestandsirrtum und Dritte
Erlaubnisirrtum


Irrtum über äußere Tatbestandsmerkmale  [^]

Subsumtionsirrtum  [^]

*  Problem: Welche TB-Merkmale müssen vom Vorsatz umfaßt sein?
*  Vorsatz umfaßt nur Faktenkenntnis
*  Notwendig und ausreichend ist, daß der Täter den Sachverhalt kennt, der das jeweilige TB-Merkmal ausfüllt
*  Rechtsirrtümer haben keinerlei Bedeutung für den Vorsatz
*  "Wiederbelebung der alten Irrtumslehre des RG"
*  neben dem Tatsachenirrtum ist nur der außerstrafrechtliche Rechtsirrtum (z.B. in § 950 BGB über "fremd") Tatbestandsirrtum
*  bezieht sich der Irrtum auf eine Rechtstatsache, ist er Tatbestandsirrtum
*  bezieht sich der Irrtum dagegen auf den Begriffsinhalt des TB-Merkmals, ist er Subsumtionsirrtum, der den Vorsatz unberührt läßt
*  negative Bestimmung des Tatbestandsirrtums über § 17 (Herzberg)
*  Verbotsirrtum, wenn der Täter alle das Deliktsunrecht bestimmenden Umstände kennt, nur nicht die rechtliche Mißbilligung seines Tuns
*  bezieht sich der Irrum auf ein Merkmal der Deliktsbeschreibung - egal ob die Quelle ein Rechts- oder Tatsachenirrtum ist - kommt Tatbestandsirrtum in Betracht
*  könnte der Täter an die Stelle des rechtlich verkannten TB-Merkmals eine gleichwertige Beschreibung setzen, liegt Subsumtionsirrtum vor
*  deskriptive / normative TB-Merkmale (h.M.)
*  Deskriptive TB-Merkmale sind solche, die im allgemeinen der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich sind und Gegenstände der realen Welt beschreiben
*  lediglich Tatsachenkenntnis gehört zum Vorsatz; bei zu enger Auslegung eines TB-Merkmals Subsumtionsirrtum
*  Normative TB-Merkmale sind solche, deren Vorhandensein nicht schon von Wahrnehmungen, sondern erst aufgrund einer rechtlichen Bewertung der wahrgenommenen Tatsachen festgestellt werden kann
*  Parallelwertung in der Laiensphäre


Abgrenzung untauglicher Versuch / Wahndelikt  [^]

*  Begriffsbestimmung
*  untauglicher Versuch
*  Ein untauglicher Versuch liegt vor, wenn die Ausführung des Tatentschlusses entgegen der Vorstellung des Täters aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zu einer vollständigen Verwirklichung des objektiven Unrechtstatbestandes führen kann.
*  Wahndelikt
*  Beim Wahndelikt nimmt der Täter irrig an, sein in tatsächlicher Hinsicht richtig erkanntes Verhalten falle unter eine Verbotsnorm, die nur in seiner Einbildung existiert oder die er infolge falscher Auslegung zu seinen Ungunsten überdehnt.
*  Vorsatz umfaßt nur Faktenkenntnis
*  rechtliche Fehlbewertungen sind für den Täter weder nützlich noch schädlich: Wahndelikt
*  "Wiederbelebung der alten Irrtumslehre des RG"
*  Kenntnis der rechtlichen Umstände gehört zum Vorsatz
*  irrige Annahme von Rechtstatsachen begründet Versuch
*  negative Bestimmung des Tatbestandsirrtums über § 17 (Herzberg)
*  "rechtswidrige Tat" in § 258 ist TB-Merkmal - irrige Annahme begründet untauglichen Versuch
*  deskriptive / normative TB-Merkmale (h.M.)
*  irrige Annahme von deskriptiven Merkmalen
*  Tatsachen ("Schuß auf einen Menschen")
*  Versuch
*  Verkennung des Bedeutungsgehalts ("auch spurlos zu entfernende Zustandsveränderungen sind Sachbeschädigung")
*  umgekehrter Subsumtionsirrtum - Wahndelikt
*  irrige Annahme von normativen Merkmalen
*  Tatsachen ("Täter denkt, er vernichtet eine Urkunde, verbrennt aber nur Papier")
*  Täter muß den sozialen Sinngehalt des TBs als solchen richtig verstanden haben - muß die Parallelwertung vollzogen haben
*  umgekehrter Tatbestandsirrtum - untauglicher Versuch
*  fehlerhafte Parallelwertung eines TB-Merkmals ("Notar hält jede pflichtwidrige Beurkundung für nach § 348 strafbar")
*  strafloses Wahndelikt
*  umgekehrter Tatbestandsirrtum = untauglicher Versuch
*  umgekehrter Verbotsirrtum = Wahndelikt
*  Haft: Unterscheidung zwischen gegenstands- und begriffsbezogenen Irrtümern
*  gegenstandsbezogener Irrtum
*  der Irrtum läßt sich ohne Verweis auf den strafrechtlichen Tatbestand verständlich mitteilen
*  führt immer zu Tatbestandsirrtum, untauglichem Versuch oder Erlaubnistatbestandsirrtum
*  begriffsbezogener Irrtum
*  der Irrtum läßt sich ohne Verweis auf den strafrechtlichen Tatbestand nicht verständlich mitteilen (Subsumtionsirrtum)
*  führt immer zu Verbotsirrtum, Wahndelikt oder Erlaubnisirrtum


Besonderheiten bei Unterlassungsdelikt  [^]

*  Unkenntnis über Umstände, aus denen sich die Pflicht zur Erfolgsabwendung ergibt
*  Tatbestandsirrtum
*  Irrtum über aus der Garantenpflicht folgende Rechtspflicht zum Tätigwerden
*  Verbotsirrtum


Irrtum über qualifizierende TB-Merkmale  [^]

*  nach § 16 ist Bestrafung wegen des qualifizierten Delikts ausgeschlossen, nicht aber wegen des Grunddelikts


Irrtum über erfolgsqualifizierendes TB-Merkmal  [^]

*  Unkenntnis
*  Vorsatz braucht sich nicht auf qualifizierten Erfolg zu beziehen
*  Irrtum spielt keine Rolle, wenn Fahrlässigkeit hinsichtlich der Verursachung des erfolgsqualifizierenden Merkmals gegeben ist.
*  irrige Annahme eins erfolgsqualifizierenden Merkmals
*  Strafschärfung wird ausgelöst, wenn der Täter das Grunddelikt versucht oder vollendet hat und die ebenfalls vom Vorsatz umfaßte schwere Folge ausgeblieben ist (str. hängt davon ab, ob man überhaupt den Versuch einer Erfolgsqualifikation anerkennt)


Irrtum über privilegierende TB-Merkmale  [^]

*  Täter nimmt irrig eine priviligierendes Merkmal an
*  § 16 II!
*  Täter handelt in Unkenntnis eines priviligierenden Merkmals
*  echtes TB-Merkmal
*  Versuch
*  Schuldmerkmal
*  vollendetes Grunddelikt


Irrtum über Kausalverlauf  [^]

Irrtum über Kausalverlauf  [^]

*  Abweichungen zwischen dem vorgestellten und dem tatsächlichen Kausalverlauf sind unwesentlich
*  wenn sie sich nach den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten
*  und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen
*  Prof. G. Freund
*  abzustellen ist nicht auf das, was der Täter will, sondern auf das Risiko, das er wissentlich eröffnet


"error in persona vel in obiecto"  [^]

*  Bei dem "error in persona vel in obiecto" tritt der Erfolg immer an dem Objekt ein, an dem er nach der Vorstellung des Täters auch eintreten sollte. Aufgrund einer Fehlidentifizierung (Verwechslung / error) wird nur über die Identität des Objekts geirrt.
*  Lösung bei ungleichwertigen Objekten
*  Täter erfaßt Qualität seines Verhaltens bzw. als Tötungsverhalten nicht
*  Lösung bei gleichwertigen Objekten
*  Strafbarkeit wegen Vorsatzdelikts
*  es kommt nicht darauf an, was der Täter will, sondern was er wissentliche tut
*  str. ob gleichzeitig untauglicher Versuch am richtigen Opfer
*  konstruktiv ohne weiteres möglich
*  Täter würde dann aber aus einer Vollendungstat in Idealkonkurrenz mit Versuch bestraft, obwohl er nicht zwei, sondern nur einen Menschen töten wollte
*  Auswirkung auf einen Anstifter
*  error in persona des Täters wirkt sich auf den Anstifter als aberratio ictus aus
*  Vorsatz des Anstifters bezieht sich auf einen bestimmten Menschen (und nicht wie beim Täter auf den vor ihm stehenden)
*  Anstifter wäre sonst auch für "Gemetzel" des Täters verantwortlich, wenn dieser immer wieder versuchte, den Richtigen zu treffen
*  Folge für den Anstifter
*  vollendete Anstiftung zum versuchten Delikt
*  oder versuchte Anstiftung zum vollendeten Verbrechen
*  Fahrlässigkeitstat
*  error in persona des Täters ist für Anstifter unerheblich
*  Vorsatz Anstifter bezieht sich auf das Objekt, dem sich der Täter gegenüber sehen wird
*  Verhinderung der "Gemetzel"-Folgen nach allgemeinen Regeln über Kausalitätsabweichungen


"aberratio ictus"  [^]

*  Bei der "aberratio ictus" hat der Täter zwar das nach seinem Motiv "richtige" Objekt anvisiert. Nachdem der Angriff den Herrschaftsbereich des Täters verlassen hat, tritt der Erfolg aber aufgrund von äußeren Umständen, d.h. aufgrund eines abweichenden Kausalverlaufs an einem anderen Objekt ein.
*  "aberratio ictus" bei nicht gleichwertigen Objekten
*  keine Vollendungshaftung
*  "aberratio ictus" bei rechtlich gleichwertigen Objekten
*  Gleichwertigkeitstheorie
*  kein Unterschied zwischen aberratio ictus und error in persona
*  Vorsatz bezieht sich nur auf das im TB umschriebene Merkmal - vollendete Vorsatztat, wenn das Rechtsgut verletzt wurde, das verletzt werden sollte
*  Konkretisierungstheorie
*  auf ein bestimmtes Opfer konkretisierter Vorsatz kann nicht darauf reduziert werden, irgendein Opfer zu treffen
*  Täter beherrscht Kausalfaktoren nicht mehr, die zum Erfolg führen
*  nur Versuchstat und Fahrlässigkeitstat möglich


Irrtum über Rechtswidrigkeit  [^]

Erlaubnistatbestandsirrtum  [^]

*  Irrtum über sachliche Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes
*  Lösung hängt vom Vorsatz-Schuld-Verständnis abältere Vorsatztheorie

ältere Vorsatztheorie

*  Bewußtsein der Rechtswidrigkeit ist Bestandteil des Vorsatzes
*  Vorsatz ist weitgehend der Wille etwas sozialschädliches zu tun
*  gelten weitgehend durch § 17 überholt, der klarstellt, daß eine Vorsatzbestrafung auch möglich ist, wenn das Unrechtsbewußtsein fehlt

strenge Vorsatztheorie
*  Täter muß im Augenblick der Tat das aktuelle Bewußtsein haben, wider das Recht zu handeln
*  Kritik: begünstigt den Rechtsfeindlichen

eingeschränkte Vorsatztheorie
*  Vorsatztäter kann auch sein, wer rechtsblind ist
*  Kritik: gibt den eigenen dogmatischen Ansatz auf

modifizierte Vorsatztheorie

*  das "materielle Unrechtsbewußtsein" - Bewußtsein der Sozialschädlichkeit - gehört zum Vorsatz
*  bei einem Rechtfertigungsirrtum entfällt demnach der Vorsatz
*  § 17 erfaßt nur das Fehlen "formellen Unrechtsbewußtsein" - also die Vorstellung ein bei Strafe verbotenes Verhalten zu verwirklichen
*  Kritik: dem § 17 ist eine solche Untergliederung nicht zu entnehmen

Schuldtheorien

*  Unrechtsbewußtsein ist nicht Vorsatzbestandteil, sondern selbstständiges Schuldelement

strenge Schuldtheorie
*  keine Unterscheidung zwischen der Vorstellung, ein Verhalten unterfalle keiner Strafnorm und der Vorstellung, ein Verhalten sei ausnahmsweise erlaubt - in beiden Fällen fehlt das aktuelle Unrechtsbewußtsein
*  dies ist im Rahmen des § 17 auf Schuldebene zu berücksichtigen
*  Kritik: Ähnlichkeit von Tatbestands- und Erlaubnistatbestandsirrtum wird nicht berücksichtigt - der Täter ist "an sich rechtstreu"

eingeschränkte Schuldtheorie
*  zwischen Tatbestandsmerkmalen und Rechtfertigungsgründen besteht unter dem Blickwinkel der Unrechtsvoraussetzungen kein qualitativer Unterschied
*  Vorsatz / Vorsatzunrecht bzw. Handlungsunwert entfällt
*  gleiche Konsequenzen wie TB-Irrtum
*  analoge Anwendung des § 16

rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie
*  die irrige Annahme einer rechtfertigenden Sachlage berührt den Tatbestandsvorsatz als Verhaltensform nicht, sondern schließt vielmehr nur die Vorsatzschuld aus
*  der Erlaubnistatbestandsirrtum wird lediglich in seinen Rechtsfolgen dem in § 16 I 1 geregelten Tatbestandsirrtum gleichgestellt

Lehre von den negativen TB-Merkmalen

*  Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe sind negative Tatbestandsmerkmale
*  direkte Anwendung des § 16
*  Kritik: läßt vorsätzliche Haupttat für einen Teilnehmer entfallen
*  dagegen Prof. G. Freund: Begriff der "vorsätzlich begangenen Tat" in §§ 26, 27 I kann unabhängig von dem des Vorsatzes bei der Frage der Strafbarkeit des Täters bestimmt


Erlaubnistatbestandsirrtum im Fallaufbau  [^]

*  Der Streit beim Erlaubnistatbestatbestandsirrtum dreht sich in erster Linie um das Vorsatz-Schuld-Verständnis. Eigentlich müßte der Streit demnach beim Vorsatz zum ersten Mal angesprochen werden. Hiervon ist jedoch abzuraten. Statt dessen sollte beim Vorsatz vorsichtig formuliert werden; etwa: "... jedenfalls Vorsatz bezüglich der im § xyz genannten Tatbestandsmerkmale..."
*  Der Erlaubnistatbestandsirrtum sollte nach Feststellung der Rechtswidrigkeit thematisiert werden.
*  In der Regel werden sämtliche Theorien bis auf die strenge Schuldtheorie zur Anwendbarkeit des § 16 kommen. Handelt nur ein Einzelner, muß dementsprechend nur die strenge Schuldtheorie abgelehnt werden (oder aber die anderen Meinungen, wozu nicht unbedingt zu raten wäre...).
*  Ist noch ein Teilnehmer involviert, muß der Streit komplett entschieden werden, siehe unten...


Erlaubnistatbestandsirrtum und Dritte  [^]

*  Vorsatztheorie
*  keine rechtswidrige Haupttat - Teilnahme nicht möglich
*  strenge Schuldtheorie
*  Teilnahme möglich
*  eingeschränkte Schuldtheorie und Lehre von den negativen TB-Merkmalen
*  mangels "vorsätzlicher" Haupttat keine Teilnahme möglich
*  teilweise wird dennoch die Möglichkeit einer Teilnahme angenommen
*  Haupttäter muß nur hinsichtlich der unrechtstypischen Merkmale des gesetzlichen TBs vorsätzlich gehandelt haben
*  "vorsätzlich" in §§ 26, 27 im teleologischen Zusammenhang zu sehen
*  rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie
*  nicht der Tatvorsatz entfällt, sondern nur die Vorsatzschuld
*  Teilnahme ist problemlos möglich


Erlaubnisirrtum  [^]

*  Täter verkennt die rechtlichen Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes oder glaubt an das Bestehen eines von der Rechtsordnung nicht anerkannten Rechtfertigungsgrund
*  "indirekter Verbotsirrtum" - folgt den Regeln des § 17


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